In unseren Kursen wird immer wieder der taktische Grundsatz «Löschen um zu retten» hinterfragt. Deshalb erläutern wir in diesem Magazinbeitrag die Hintergründe dieser Vorgehensweise. Insbesondere weisen wir darauf hin, dass «Löschen um zu retten» nicht bedeutet, es solle zuerst gelöscht und erst im Anschluss gerettet werden. Zwar hat das Löschen, wie nachfolgend erläutert, oberste Priorität. Mit dem Suchen & Retten sollte jedoch, bei genügend personellen Ressourcen, zeitgleich zur Brandbekämpfung begonnen werden.
Herausforderung: Extrem grosse Brandabschnitte
Die meisten Gebäude sind baulich in Brandabschnitte unterteilt, um die Ausbreitung von Feuer und Rauch zu verzögern. Eine Tunnelröhre besteht hingegen aus einem einzigen Brandabschnitt, der viele hundert oder tausend Meter lang sein kann. Derart grosse Brandabschnitte im Rauch nach Personen abzusuchen, kann zu lange dauern, um Menschen rechtzeitig zu finden und zu retten. Zudem sind die Risiken für die Einsatzkräfte umso grösser, je tiefer sie in verrauchte Bereiche eindringen müssen.
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Oberstes taktisches Ziel: Rauchproduktion stoppen
Wegen der Grösse des Brandabschnitts empfiehlt die International Fire Academy, den Fahrzeugbrand in einem Tunnel so schnell wie möglich zu löschen und damit die Rauchproduktion zu stoppen. Dadurch werden die Bedingungen sowohl für die Selbstrettung als auch für das Suchen & Retten verbessert. Die Rettungsmassnahmen werden beschleunigt und die Risiken für die Einsatzkräfte verringert. Das heisst: Das Löschen ist nicht das Ziel, sondern Mittel zum Zweck, Menschen schneller finden und retten zu können.

«Löschen um zu retten» entspricht den Reglementen
Manche Kursteilnehmer wenden ein, der Grundsatz «Löschen um zu retten» stehe im Widerspruch zu Reglementen beziehungsweise Dienstvorschriften. Tatsächlich ist diese Vorgehensweise regelkonform: Der Ständige Auftrag im schweizerischen Reglement Einsatzführung gibt vor: 1. Sichern, 2. Retten. 3. Halten, 4. Schützen, 5. Bewältigen. Für den Teilauftrag Sichern gilt wiederum der Grundsatz, dass die eigene Sicherheit der Einsatzkräfte stets vorgeht und dass zunächst Menschen und Tiere zu sichern sind. Genau dies wird bei Brandeinsätzen in Tunneln durch die Vorgehensweise «Löschen um zu retten» erreicht.
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Auch im Einklang mit deutschen und österreichischen Vorgaben
In der bundesdeutschen Feuerwehr-Dienstvorschrift findet sich zur Prioritätensetzung im Abschnitt 3.2.2.1 folgender Passus: «Das Retten, In-Sicherheit-Bringen und Schützen von Menschen steht bei allen Entscheidungen als primäres Einsatzziel im Vordergrund. In vielen Fällen ist die Rettung aber nur möglich, wenn zuvor vorhandene Gefahren beseitigt oder zumindest eingegrenzt werden.»
Und im Merkblatt für Tunnelbrandereignisse des Österreichischen Bundesfeuerverbandes heisst es: «Der Löscheinsatz schafft die Voraussetzungen für ein gesichertes/sicheres Vorgehen der Einsatzkräfte und für die Fremdrettung. Darüber hinaus schränkt der rasch eingeleitete Löscheinsatz die Ereignisausbreitung ein und mindert Schäden an Anlagen und Bauwerk.»

Am besten parallel Löschen und Suchen & Retten
Die Vorgehensweise «Löschen um zu retten» wird von der International Fire Academy auch als «prioritäre Brandbekämpfung» bezeichnet. Damit soll deutlich gemacht werden, dass das Löschen und das Suchen & Retten idealerweise zeitgleich erfolgen sollten. Wenn aber zum Beispiel in der Anfangsphase zu wenig Kräfte für alle Massnahmen zur Verfügung stehen, dann sollte die Brandbekämpfung Vorrang haben, auch zur Sicherung der eigenen Einsatzkräfte.
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Empfehlung für das Training am Standort
Für das Training am Standort empfiehlt die International Fire Academy, den Grundsatz «Löschen um zu retten» allen Feuerwehrangehörigen, die für Tunneleinsätze vorgesehen sind, ausführlich zu erläutern und seine Anwendung mit den Führungskräften zu trainieren. Dass sich die Vorgehensweise auch in der Praxis bewährt, zeigt zum Beispiel der Einsatzbericht Bürgerwaldtunnel.

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