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Instruktoren-Weiterbildung: Rettung von Menschen mit Behinderung

Was ist bei der Rettung von Menschen mit körperlichen Einschränkungen aus Fahrzeugen besonders zu beachten? Antworten auf diese Frage gaben die Paraplegikerin Michaela Vogler und ihr Team beim Weiterbildungskurs 2025 für die Instruktoren der International Fire Academy. Die wichtigste Erkenntnis: Wenn immer möglich mit den Betroffen sprechen – denn nur sie können sagen, welche Vorgehensweise richtig ist.

WheelchairRescue – im entscheidenden Moment das Richtige tun


Michaela Vogler ist Angehörige der Feuerwehr Alpnach. Seit einem Unfall im Haushalt ist sie querschnittsgelähmt, «aber immer noch in der Feuerwehr aktiv, wenn auch nicht mehr an der Front». Als sie aus der für sie neuen Perspektive eines querschnittsgelähmten Menschen auf die Arbeit der Feuerwehr schaute, erkannte sie, «dass Rettungskräfte wenig Kenntnisse davon haben, welche zusätzlichen Herausforderungen die Rettung von Menschen mit einer Behinderung bei Einsätzen mit sich bringen». Deshalb gründete sie das Start-up WheelchairRescue, das Rettungsdienste, Feuerwehren und ähnliche Organisationen für das Thema sensibilisiert und die Kameraden instruiert.

Grösstes Problem: Zu wenig Platz für Menschen mit Rollstuhl

Eines der häufigsten Probleme für Menschen mit Rollstuhl sind enge Platzverhältnisse, wie Michaela Vogler an ihrem eigenen Fahrzeug demonstriert: Um zu flüchten, ist sie zwingend auf ihren Rollstuhl angewiesen. Um mit diesem aus dem Fahrzeug zu kommen, muss sie die Rampe am Heck ausfahren. Ist das nachfolgende Fahrzeug zu dicht aufgefahren, reicht der Platz dafür nicht aus. Konsequenz für das Suchen & Retten: Immer damit rechnen, dass Menschen mit Behinderungen gar nicht haben aussteigen können.

Grösste Vorsicht beim Retten von Menschen mit Behinderungen


Müssen Menschen mit Behinderung aus einem Fahrzeug herausgeholt werden, ist grösste Vorsicht geboten. Querschnittsgelähmte spüren ihre Beine nicht, können also nicht wahrnehmen, wenn diese zum Beispiel eingeklemmt sind oder mit heissen Teilen in Berührung kommen. Deshalb sollten Einsatzkräfte – wenn immer möglich – mit den Betroffenen besprechen, was wie zu tun ist. Sie sollten dabei auch sicherstellen, dass nicht versehentlich Katheter, Sauerstoffzufuhr oder andere Anschlüsse an medizinische Geräte abgerissen werden. Eine Verletzung infolge eines solchen Abrisses kann einen monatelangen Spitalaufenthalt zur Folge haben. Denn Verletzungen im Bereich der Lähmung heilen sehr langsam.

Rettung immer mit Rollstuhl

Menschen mit Behinderungen sollte möglichst immer mit bzw. in ihrem Rollstuhl gerettet werden, weil sie auch nach der Rettungsaktion auf diesen angewiesen sind. Also genügt es nicht, Menschen mit Rollstuhl aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich zu bringen. Sie müssen sich von dort aus selbst weiter fortbewegen können. Deshalb sollte ausserdem sichergestellt werden, dass der weitere Weg nicht an unüberwindlichen Hindernissen wie zum Beispiel Treppen endet oder in einen Kiesweg mündet, wie Ueli Wallimann vom Team WheelchairRescue erklärt. Hinzu kommt die Verhinderung von Druckstellen bei der Lagerung. Wenn die gerettete Person in dem Rollstuhl mit ihrem auf sie angepassten Sitzkissen sitzen kann, ist diese Herausforderung bereits gelöst.

Ein Gespür für Hindernisse beim Rollstuhlfahren entwickeln


Wie herausfordernd die Fortbewegung in einem Rollstuhl tatsächlich ist, lässt sich kaum beschreiben, aber leicht erfahren, wenn man es selbst ausprobiert. Schon wenige Minuten Rollstuhlfahrt genügten den Instruktoren um zu lernen, dass Türen, Rampen und selbst kleine Türschwellen unüberwindbare Hindernisse sein können oder zumindest viel Geschick und Kraft erfordern.

Merkmale von Spezialfahrzeugen für Menschen mit Behinderungen

Fahrzeuge für Menschen mit Behinderungen weisen einige Besonderheiten auf. Da die Fusspedale nicht bedient werden können, wird das Fahrzeug über einen Joystick beschleunigt und gebremst. Dadurch ist die rechte Hand ständig gebunden und kann nicht für das Umgreifen am Lenkrad genutzt werden. Deshalb ist das Lenkrad mit einem Knauf ausgestattet: ein sicherer Hinweis auf ein sogenanntes Umbaufahrzeug.

Ansonsten sind Umbaufahrzeuge meist nur schwierig von aussen als solche zu erkennen. Sie sind aber keine Seltenheit. Allein in der Schweiz, schätzt Michaela Vogler, gibt es rund 6'500 solcher Spezialfahrzeuge, und Jahr für Jahr kommen hunderte hinzu.

Jede Nervenfaser steht für ein Stück Lebensqualität


Mit im WheelchairRescue-Team war Angela Fallegger, die vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrungen zeigte, dass Lähmungen infolge von Wirbelsäulenverletzungen oder -erkrankungen sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können. Entscheidend ist, in welcher Höhe der Wirbelsäule und wie stark die Nervenfasern geschädigt sind. Sind nicht alle Fasern durchtrennt, bleiben unterhalb der Schädigung noch Teilfunktionen erhalten, beispielsweise die Fähigkeit, die Beinmuskeln etwas anspannen zu können. Das mache dann den Unterschied aus, ob man sich noch selbst eine Hose anziehen könne oder eben nicht, weil das Bein unkontrollierbar ist und «einem beim Hochziehen der Hose zum Beispiel ins eigene Gesicht schlagen kann.». So besehen, stehe jede Nervenfaser für eine Lebensqualität, die verlorengehen oder erhalten bleiben kann. Deshalb sei es auch so wichtig, frisch Verletzte (also nicht nur Menschen, die bereits eine Behinderung haben) möglichst behutsam umzulagern und zu transportieren.

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