Seit Gründung der International Fire Academy gehörte er zum Team: Instruktor und Ausbildungsberater Markus Vogt. Zum 30. Juni 2024 verabschiedete er sich in den Ruhestand – und bleibt uns für besondere Projekte verbunden. In diesem Beitrag gibt Markus Vogt einen ganz persönlichen Rückblick auf fünfzehneinhalb Jahre an der International Fire Academy.
Die Übungstunnelanlage war das entscheidende Argument
Markus Vogt startete 2009 als hauptamtlicher Instruktor, arbeitete an der Entwicklung der ersten Tunneleinsatzlehre mit, war danach nacheinander Leiter Ausbildung und Leiter Kundenberatung. Zuletzt begleitete er viele Jahre Feuerwehren aus (fast) aller Welt als Ausbildungsberater auf dem Weg zu ihren Kursen in Balsthal und Lungern. Die im Bau befindliche Übungstunnelanlage war für ihn der Grund, 2009 als einer von zwei hauptamtlichen Instruktoren bei der International Fire Academy zu starten.
«Ich hatte mich erst gar nicht auf die Stelle bewerben wollen. Dann wurde das Feuerwehr-Ausbildungsteam des Kantons Basel-Landschaft, dem ich angehört habe, eingeladen, die Baustelle der Übungstunnelanlage zu besichtigen. Das war an einem Freitagabend im Oktober. Beim Begehen der Baustelle habe ich zu Christian Schwarz, dem damaligen Leiter Ausbildung & Entwicklung, gesagt: Eigentlich reut es mich, dass ich mich nicht beworben habe. Er erwiderte nur: Bewirb dich. Ich habe bislang nur eine von zwei Stellen besetzt.»
Mit der «eigenen» Feuerwehr die Ausbildung getestet
«Es begann gleich mit einer spannenden Zeit. Wir haben entwickelt, ohne zu wissen, wo uns dies hinführen wird. Wir wussten, es geht um die Bewältigung von Tunnelereignissen. Aber es gab ja keine Vorlagen, keine Richtlinien, nichts. Roland Gfeller, der zweite hauptamtliche Instruktor, war wie ich Kommandant einer Ortsfeuerwehr. Um die Lektionen und Übungen in Lungern und später auch in Balsthal zu testen, hatten wir in unseren Wehren Freiwillige gesucht. Dadurch war meine Ortsfeuerwehr Allschwill Ende 2009 tunnelmässig besser ausgebildet als der Rest der Schweiz, obwohl wir nicht mal einen Tunnel im Einsatzgebiet hatten.»
Aussergewöhnliche Ereignisse und Standard-Einsatzmittel
Eine seiner grössten Erkenntnisse zum Thema Tunnel: «weniger ist mehr».
«Meine grösste Erkenntnis zum Thema Tunneleinsätze war, dass die drei Elemente – das Erkunden, die Brandbekämpfung und das Suchen & Retten – tatsächlich funktionieren und das mit einfachsten Mitteln. Es braucht tatsächlich nicht mehr als jenes Material, welches wir auch damals eingesetzt hatten – mit Ausnahme der Suchstöcke und der Markierleuchten also ausschliesslich Standardmaterial, über das Feuerwehren bereits verfügten. Und was tagtäglich zur Anwendung kommt, funktioniert auch im Ereignisfall. Wenn du etwas «Exotisches» in der Ausbildung einführst, das nur für den einen Ereignisfall gedacht ist und sonst nie angewendet wird, dann funktioniert es meist nicht, wenn das seltene Ereignis dann plötzlich eintritt.»
Eine Kultur, die immer mehr Nachahmer findet
Das Optimieren der Ausbildung ist Markus Vogt in seiner gesamten Feuerwehrlaufbahn ein grosses Anliegen gewesen. Die Erfahrungsdidaktik an der International Fire Academy kam ihm daher sehr entgegen. Eine Entwicklung wird hierbei von vielen Feuerwehren besonders bewundert und übernommen.
«Unsere Feedbackkultur ist einzigartig. Unter der Leitung von Marianne Wernli, Leiterin Ausbildung, hat das Instruktorenteam das Feedback-System entwickelt und eingeführt. Früher hielten auch wir ellenlange Monologe in den Übungsbesprechungen und überfrachteten die Rückmeldung an die Kursteilnehmer. Gemeinsam gelang es uns, das ganze System auf drei Feedback-Punkte einzudampfen, so dass die Kursteilnehmer eine Chance haben, bei der nachfolgenden Übung genau diese Punkte zu verbessern. So baut eine Übung auf der anderen auf und die Kursteilnehmer können sich dank des gezielten Feedbacks sukzessive verbessern. Am Schluss erzielen alle Teilnehmer gute bis gar ausgezeichnete Resultat. Dieses Feedback-System ist für mich eines der Highlights, das inzwischen weltweit Anklang findet.»
Einsatzübung wird zum Event mit Fachpublikum
Dieses Feedback-System hat in Berlin eine Ausbildung zum Event für die Sicherheitskräfte von Bahn und Polizei gemacht. «Am letzten Tag der jährlichen Ausbildung der Feuerwehr für den Flughafen Berlin machten wir Einsatzübungen im Heuboden, einem nie zu Ende gebauten S-Bahn-Verzweigungsbauwerk mit Zugang direkt vis-à-vis vom Holocaust-Denkmal und schräg gegenüber der amerikanischen Botschaft. Während der Übung fuhren plötzlich zehn Löschfahrzeuge mit Abrollbehältern, aber auch Polizei, Bahn und Sicherheitsdienst an. Eine Bodenluke wurde geöffnet und los ging es in den Untergrund. Selbstverständlich wurden beim ersten Mal vorab alle informiert – ausser die amerikanische Botschaft.»
Aber nicht dieser «Vorfall» machte die Ausbildung zum Event. Vielmehr war es der Schweizer Instruktor mit seinen direkten Feedbacks, der erst für Erstaunen, dann für Begeisterung sorgte. Ein Instruktor, der kein Blatt vor den Mund nimmt und sagt, was er sieht, was gut ist und was man verbessern kann, war zu diesem Zeitpunkt zumindest «nicht normal». Es gab Ausbildungen, zu denen kamen bis zu 20 Beobachter, nur um die Feedbacks auf dem Heuboden zu erleben.
Verständnis für unterschiedlichste Feuerwehr-Kulturen
Als Ausbildungsberater reiste Markus Vogt zu Feuerwehren in vielen Ländern auf allen Kontinenten – mit Ausnahme Australiens. Das Verständnis für die unterschiedlichen Kulturen, das bei dieser Arbeit gefordert ist, geht über das sprachliche Verstehen weit hinaus.
«Für mich beeindruckend war ein Erlebnis mit Ostrava. Ich war zuerst eine Woche dort und habe zwei unserer klassischen Tagesschulungen gegeben. Weil wir mit Übersetzer arbeiten mussten, dauerten die Schulungen jeweils zwei Tage. Die beiden Gruppen kamen dann im Nachgang zu uns und absolvierten den Strassenkurs. Einer der Feuerwehroffiziere war mein Übersetzer. Ich habe blind darauf vertraut, dass er übersetzen würde, was ich ihm erklärte. Beim zweiten Lehrgang hatten die Teilnehmer in der Pause in ihrer Sprache heftig über etwas diskutiert. Ich verstand kein Wort, spürte aber, dass irgendwas nicht stimmen konnte. Also nahm ich mir den Dolmetscher zur Seite, und tatsächlich: Sie hatten etwas falsch verstanden und wir konnten das Missverständnis klären.»
«Wir sind doch nicht im Kindergarten»
Nicht immer gab es auf Seiten aller Feuerwehren spontan Verständnis für den erfahrungsorientierten Ansatz, mit dem Markus Vogt Probleme in der Ausbildung löste. Bei einem Kunden wurde deutlich: Die Gruppenführer hatten Schwierigkeiten mit dem Führen, daher gelang es nicht, die Tunneleinsatzlehre gut umzusetzen. Also bot Markus Vogt einen Halbtagesworkshop an und überlegte sich dazu passende Übungen.
«Als ich mein Programm vorstellte, schaute mich einer der örtlichen Instruktoren irritiert an und meinte: ‹Wir können doch nicht Kindergarten machen!› Wir stimmten dann ab, ob wir das Programm ausprobieren – vier zu zwei Stimmen waren dafür. Meine Idee war, den Workshop auf spielerische Art und als Wettbewerb zu gestalten. Die Gruppenführer bildeten zusammen mit einem Kameraden, der eine schwarze Brille trug und nichts sah, ein Team. Seine Aufgabe war es, den blinden Kameraden so zu dirigieren, dass er mit dem Strahlrohr bestimmte Punkte traf. Dann musste er in einem absolut dunklen Raum mit der Wärmebildkamera PET-Flaschen finden, die mit warmem Wasser gefüllt waren, und seinen Kameraden anleiten, die PET-Flaschen zu einer Sammelstelle zu bringen. Bei der dritten Übung stand der Gruppenführer in Dienstkleidung bereit, während seine gesamte Einsatzausrüstung vor ihm im Raum verstreut lag. Sein Kamerad, dieses Mal als blinder Buttler, musste sie ihm in der richtigen Reihenfolge bringen, so dass er sich korrekt ausrüsten konnte. Am Ende des ersten Durchlaufs kam einer der Teilnehmer, den ich bis dahin als den kritischsten erlebt hatte, zu mir und meinte: ‹Das war die beste Ausbildung, die ich je gemacht habe. Kann ich das heute Abend mit meiner Feuerwehr machen?› »
Eine Einsatzlehre für alle Tunnel?
«Passt das, was in der Schweiz entwickelt wurde, zu unserer Feuerwehr und unseren Tunneln?» Diese Frage hörte Markus Vogt vor allem in den ersten Jahren der Ausbildungsberatung – auch in Skandinavien, wo Markus Vogt bereits 2013 auf der Tagung «Fire Protection and Safety in Tunnels» in Dänemark für die International Fire Academy die Auszeichnung für einen herausragenden Beitrag zum Training für Tunnelsicherheit im Brandfall entgegen nehmen durfte.
Besonders in Erinnerung geblieben ist Markus Vogt die Anfrage der Feuerwehrverantwortlichen der Region Stavanger in Norwegen. «Zwei Monate vor ihrer gebuchten Ausbildung bekam ich einen Anruf: ‹Markus, wir sind nicht ganz sicher, ob das, was ihr in der Schweiz schult, auch für Norwegen passt.› Wir setzten uns nochmals zusammen, besichtigten verschiedene Tunnel und einigten uns schliesslich: Wir machen die ersten beiden Tage so, wie wir in der Schweiz ausbilden. Den dritten Tag in Lungern lassen wir offen und passen ihn an die norwegischen Verhältnisse an. Am zweiten Abend habe ich die Frage in die Runde gestellt, was wir am letzten Tag anders machen sollten. Die haben ihr Bier gehoben: ‹Markus, wir bleiben bei der Schweizer Taktik. Die funktioniert bei uns!› Wir haben dann auch den dritten Tag nach Schweizer Art durchgeführt. Die Norweger haben im Anschluss übernommen, was sie bei uns gelernt haben.»
Offen für alles Neue, auch wenn nicht alles im eigenen Land erlaubt ist
«Ein ganz besonderer Lehrgang für mich war jener für das Seattle Fire Department. Die 14 Kollegen wussten genau, dass sie aufgrund ihrer Vorschriften nicht alles umsetzen dürften, was wir lehrten. Sie kamen aber mit der Haltung: ‹Wir wollen einfach alles erleben und nehmen das raus, was wir zu Hause umsetzen können.› Es war fantastisch, wie interessiert und intensiv die 14 Kollegen mitgemacht haben. Sie sind für mich heute noch ein leuchtendes Beispiel für all die offenen Kunden, die ich erleben durfte.»
Keine Langeweile im Ruhestand
Als Miliz-Instruktor und Fotograf wird Markus Vogt auch im Ruhestand einige Kurse pro Jahr an der International Fire Academy begleiten. Daneben ist er offen für neue Abenteuer. Im Januar 2024 erwarb er den Sprengschein und war im Team dabei, als das Castieler Viadukt auf der Arosalinie der Rhätischen Bahn gesprengt wurde. Zusammen mit seinem früheren Kollegen Ueli Roth will er sich ausserdem um die Waldbrandausbildung für Feuerwehren kümmern. Privat stehen weiterhin Reisen inklusive Fotodokumentation auf seiner Wunschliste und Auftritte mit seiner Pipe. Der nächste grosse Event findet bereits in Kürze statt: Beim Basel Tattoo ist Markus Vogt im Juli 2024 dabei.
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