Keine PowerPoint-Folien, kein langer Vortrag. Stattdessen von Anfang an praktische Übungen zur Feedback-Kommunikation. Selbst die erfahrenen Instruktoren an der International Fire Academy überrascht Marianne Wernli mit ihrer 90-minütigen Ausbildungseinheit. Sie beginnt mit der Beschreibung eines Verkehrsunfalls.
90 Sekunden unstrukturierte Details
Marianne Wernli, Leiterin Ausbildung an der International Fire Academy, schildert ein Unfallgeschehen an der Einmündung in eine Hauptstrasse. Sie spricht in vollständigen, meist kurzen Sätzen und schliesst ihre Schilderungen nach 90 Sekunden ab. Nun sollen ihre Zuhörer den Unfallhergang selber schildern, und zwar so, dass Marianne Wernli ihn aufzeichnen kann. Damit beginnen die Schwierigkeiten: Ist der rote VW, der in den Unfall verwickelt ist, das rote Auto, von dem ganz zu Beginn die Rede war? Ist der gelbe Nissan der Pick-Up-Nissan, dessen Fahrer unachtsam war? Wie viele Fahrzeuge waren beteiligt, und wer fuhr in welche Richtung? Marianne Wernli hat die Fahrzeuge und Personen in ihrem Vortrag mehrfach unterschiedlich bezeichnet und damit für Verwirrung gesorgt. Am Ende ist allen klar: In 90 Sekunden kann man sehr viele Details nennen, von denen sich die Zuhörer jedoch nur einen Teil merken können. Wenn dabei eine klare Struktur fehlt, wird es unmöglich, das Gesagte korrekt wiederzugeben oder gar in irgendeiner Form umzusetzen.
Ein Drehtag für absichtlich fehlerhafte Anschauungsfilme
In der Vorbereitung zur diesjährigen Instruktoren-Weiterbildung drehte das Team der hauptamtlichen Instruktoren im Strassen-Übungstunnel zahlreiche Sequenzen der Brandbekämpfung, des Erkunden und des Suchen & Rettens. Hierbei wurden absichtlich jede Menge Fehler eingebaut. Entsprechend zeigen die produzierten Anschauungsfilme bereits in einer relativ kurzen Sequenz zehn und mehr Punkte, die verbessert werden könnten.
Drei Punkte für ein konstruktives Feedback
Die Instruktoren bekommen die Aufgabe, zu einer gezeigten Sequenz des Anschauungsfilmes Feedback zu geben. Zeitvorgabe: 90 Sekunden. Die Vielzahl der Fehler erschwert den Instruktoren die spontane Auswahl der Feedback-Punkte, und positive Aspekte kommen zunächst zu kurz. Daher fordert Marianne Wernli anschliessend ihre Instruktoren auf, alles aufzulisten, was verbessern werden könnte, aber auch alles, was gut gelaufen ist. Sie erläutert: «Um zu motivieren ist es wichtig, nicht nur Kritik zu üben, sondern auf Positivem aufzubauen.»
Den Instruktoren an der International Fire Academy gibt Marianne Wernli folgendes Feedback-Schema vor:
- Im Feedback werden maximal drei Punkte aufgegriffen.
- Zu jedem Punkt wird zunächst ein positiver Aspekt genannt.
- Dann folgt ein Aspekt, der verbessert werden sollte; es wird erklärt, warum dies sinnvoll ist und wie die Verbesserung konkret aussehen kann.
Doch damit ist eine Frage noch nicht beantwortet: Welche Feedback-Punkte sollen die Instruktoren auswählen, wenn vieles schiefgelaufen ist?
Erste Priorität hat die eigene Sicherheit
Was am wichtigsten ist, muss Marianne Wernli ihren Instruktoren nicht mehr vermitteln. Allen ist klar: Die eigene Sicherheit der Einsatzkräfte steht an erster Stelle.
Für die Instruktoren listet Marianne Wernli die drei relevanten Kategorien für die Bewertung des Verbesserungspotenzials auf:
- die eigene Sicherheit,
- die eigentliche Auftragserfüllung, insbesondere Vorschläge, um die Abläufe zu beschleunigen,
- sonstige Details.
Erst wenn weniger als drei relevante Sicherheitsaspekte zu kritisieren sind, wird die Auftragserfüllung angesprochen. Und erst wenn alle Sicherheitsregeln eingehalten werden sowie die schnelle und zielführende Auftragserfüllung kaum noch Verbesserungspotenzial bietet, wird die Aufmerksamkeit im Feedback auf sonstige Details gelenkt.
Kontinuierliche Verbesserung von Übung zu Übung
«Es ist ein Irrtum zu glauben, dass der grösste Lernerfolg dann erzielt werden kann, wenn möglichst alle zu verbessernden Punkte angesprochen werden», erläutert Marianne Wernli. Mehr als drei Punkte könne sich kaum jemand merken. «Wenn zu viel angesprochen wird, besteht wie bei der unstrukturierten Unfallschilderung die Gefahr, dass der Zusammenhang verlorengeht und im ungünstigen Fall bei der nächsten Übung nichts besser läuft.» Bewährt habe sich hingegen, sich stets auf die drei wichtigsten Punkte zu fokussieren und so eine kontinuierliche Verbesserung von Übung zu Übung zu unterstützen.
Offen für individuelle Unterschiede
Die Feedback-Regeln der International Fire Academy orientieren sich nicht daran, ob Teilnehmer nach einem vordefinierten Handlungsschema vorgehen oder bestimmte Erwartungen erfüllen. Entscheidend ist, dass ihre eigene Sicherheit gewahrt ist und sie den an sie gestellten Auftrag schnell und gut erfüllen. Damit ist die Ausbildung offen für individuelle Unterschiede im Vorgehen von Feuerwehren und konzentriert sich auf die im Einsatz zentralen Aspekte.