Am 13. Juni 2024 kam es in einer Tiefgarage in Nussbaumen im schweizerischen Kanton Aargau zu einer heftigen Explosion mit äusserst ungewöhnlichen Schadenausmassen. So wurden z. B. 12 umliegende Gebäude beschädigt und 60 Wohnungen durch die Ausbreitung von Feuer und Rauch unbewohnbar. Zwei Menschen kamen ums Leben, 12 wurden verletzt. Im 11. Online-Forum der International Fire Academy berichtete der stellvertretende Einsatzleiter Philipp Puliafito über dieses ungewöhnliche Ereignis und den tagelangen Einsatz der Feuerwehren.
Brandmeldealarme aus 100 m entfernten Gebäude
Die Explosion ereignete sich in einem Nebenraum der Tiefgarage. Als Ursache wird der unsachgemässe Umgang mit Feuerwerkskörpern der Kategorie 4 (Grossfeuerwerk) durch zwei Privatpersonen vermutet, die bei dem Unglück ums Leben kamen. Schon die Pager-Meldung liess die Kollegen der Feuerwehr Obersiggenthal nichts Gutes ahnen. Unmittelbar hintereinander liefen zwei Brandmeldealarme aus den Gebäuden Schulstrasse 2 und Schulstrasse 3 ein. Die beiden Objekte sind rund 100 Meter voneinander entfernt. Auf der Anfahrt sah Philipp Puliafito eine riesige Rauchwolke: «Da hatte ich noch keine Ahnung, was auf mich zukommt.»
Schier unvorstellbare Ausmasse
«Beim Eintreffen an der Einsatzstelle», berichtet Philipp Puliafito, «herrschte Chaos. Überall rannten Menschen umher. Trümmerteile mit einem Gewicht von rund einer Tonne waren bis zu 100 Meter weit durch die Luft geschleudert worden. Und in den umstehenden Gebäuden brannte es.» Die Brände in den Gebäuden waren durch herumfliegende brennende Trümmerteile ausgelöst worden.
Ein zwölfstöckiges Wohnhaus war vom Untergeschoss bis ins Dachgeschoss vollständig verraucht. In anderen Wohngebäuden waren «nur» einzelne Geschosse verraucht. Zur Brandbekämpfung und zur Kontrolle von 120 Wohnungen mussten 40 Türen gewaltsam geöffnet werden. Wie die obenstehende Einsatzskizze zeigt, gab es sehr viele Einsatzstellen gleichzeitig.
Etwa 300 Rettungskräfte im Einsatz
Zur Bewältigung dieser Einsatzlage mussten 220 Feuerwehrangehörige eingesetzt werden. Dazu Kräfte der Polizei, des Rettungsdienstes, des Zivilschutzes und weiterer Partnerorganisationen. Insgesamt kamen rund 300 Rettungskräfte mit 50 Fahrzeugen zum Einsatz.
Wasserwerfer reduzieren Risiko der Einsatzkräfte
Für die Feuerwehrangehörigen bestand die grösste Herausforderung in der akuten Einsturzgefahr der Tiefgarage, weil die Druckwelle der Explosion Wände zum Einsturz gebracht und selbst die Decke der Tiefgarage, die als Parkfläche diente, um einige Zentimeter versetzt hatte – obwohl sie für ein Gewicht von 40 Tonnen ausgelegt war. Um die Gefahren für die Einsatzkräfte zu reduzieren, wurden zur Brandbekämpfung Werfer eingesetzt. Auf Nachfrage bestätigte Philipp Puliafito, dass geeignete Werfer, wenn sie richtig aufgestellt werden, stabil an Ort und Stelle bleiben. Er sieht dieses Einsatzmittel generell als eine wertvolle Option bei der Bekämpfung von Tiefgaragenbränden. Für die Bergung der Leichen, berichtet der Stabsoffizier weiter, wurde ein spezieller Roboter des Forensischen Instituts Zürich eingesetzt.
Keine verletzten Einsatzkräfte
In der Gesamtbilanz, die die untenstehende Folie zeigt, hebt Philipp Puliafito besonders hervor, dass alle Einsatzkräfte zumindest körperlich unversehrt blieben. Gleichwohl war ihre Belastung sehr gross, da der Einsatz mit kurzen nächtlichen Unterbrechungen für viele von ihnen drei Tage dauerte. Abschliessend wurden alle psychosozial betreut: «Das Debriefing war eine Pflichtveranstaltung für alle – und das war auch gut so!», resümiert Puliafito.
Die richtigen Leute an der richtigen Stelle
Was sich aus Sicht des stellvertretenden Einsatzleiters bewährt hat, listet die untenstehende Folie auf. Sehr hilfreich sei gewesen, dass sehr viele Feuerwehrangehörigen mit sehr grosser Erfahrung im Einsatz standen. Und nicht zuletzt sei die Mannschaft äusserst diszipliniert gewesen, was sich z. B. auch daran zeige, dass niemand private Fotos vom Einsatzgeschehen machte.
Lehren und Erkenntnisse
In der Reflexion des Einsatzes hebt Philipp Puliafito bekannte Problemstellen wie die Funkkommunikation, die Rollenverteilungen in der Einsatzleitung und das Thema Stressmanagement hervor. Eine besondere Erkenntnis war, dass es bei so vielen Einsatzstellen sein kann, dass zunächst gefahrlose Bereiche plötzlich und überraschend verrauchen können. Und im technischen Bereich sieht Philipp Puliafito den Einsatz der Wasserwerfer als einen wesentlichen Erfolgsfaktor.
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