Auch wenn es sich bei Tiefgaragen um unterirdische Verkehrsanlagen handelt, unterscheiden sich die Einsatzbedingungen deutlich von jenen bei einem Brand in einem Tunnel. Daher entwickelten hauptamtliche Instruktoren zusammen mit dem Didaktik- und Entwicklungsteam der International Fire Academy taktische Prinzipien und Hinweise zum praktischen Vorgehen für Einsätze in Tiefgaragen. Sie werden im Intensivkurs Tiefgarage vermittelt, der 2022 dreimal angeboten wird. Feuerwehren können auch einen eigenen Kurs buchen.
Die Besonderheiten jeder Tiefgarage kennen
Wie beim Tunnel gilt auch für Tiefgaragen: Die Feuerwehren müssen diese Objekte kennen. In der baulichen Ausführung, den Sicherheitseinrichtungen und der Nutzung können sich Tiefgaragen deutlich unterscheiden. Zugänge sind oft nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Ein- und Ausfahrten können weit auseinander liegen. Lagerräume – etwa von Geschäften – können zusätzliche Brandlasten darstellen. Von herausragender Bedeutung für einen Einsatz ist schliesslich die Bebauung über der Tiefgarage und in deren Umfeld. Sie hat massgeblich Einfluss auf das taktische Vorgehen. Die Teilnehmer des Intensivkurses Tiefgarage werden daher anhand von Lehrpostern für die relevanten Unterscheidungen sensibilisiert.
Wo sind Menschen besonders gefährdet?
Die taktischen Überlegungen des Didaktik- und Entwicklungsteams orientierten sich an den Zielen des Einsatzes und damit primär an der Rettung von Menschen. Eine Internetrecherche zu Bränden in Tiefgaragen ergab dazu wesentliche Erkenntnisse:
- Bei Bränden in Tiefgaragen waren immer wieder Personen gefährdet, die sich in Gebäuden über der Tiefgarage oder im unmittelbaren Umfeld befanden; in diesen Gebäuden wurden Personen verletzt oder kamen ums Leben.
- Feuerwehrangehörige wurden beim Einsatz in Tiefgaragen durch Einstürze verletzt oder getötet.
- In einer Tiefgarage und in einem Tunnel können sich zum Zeitpunkt eines Brandes viele Fahrzeuge befinden; ein gravierender Unterschied besteht aber darin, dass sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Regel nur wenige Menschen in einer Tiefgarage aufhalten.
Aus diesen Erkenntnissen wurden Überlegungen für das taktische Vorgehen abgeleitet.
Die Lüftungstaktik verstehen
Das grundsätzliche Vorgehen bei einem Tiefgaragenbrand entspricht demjenigen bei einem Kellerbrand. Dies bedeutet: Treppenhäuser und Zugänge werden unter Überdruck gesetzt, um eine Gefährdung von Personen im Gebäude durch Rauch zu verhindern. Gleichzeitig muss geprüft werden, ob aus der Tiefgarage austretender Rauch Menschen gefährdet. So kann beispielsweise Rauch an der Fassade eines benachbarten Gebäudes hochsteigen und durch Öffnungen in Geschäfte oder Wohnungen eindringen. Dies gilt es durch taktische Ventilation zu verhindern.
Im Intensivkurs Tiefgarage erstellen die Teilnehmer in zwei Gruppen mit Hilfe eines Übersichtsplanes des Übungsparkhauses je ein Konzept für die taktische Ventilation. Die vorgestellten Lösungen werden am Objekt getestet und anschliessend besprochen. Die Wirkung von Lüftern wird zudem bei einer Begehung der künstlich verrauchten Tiefgarage während eines Lüftereinsatzes beobachtet. Dadurch erleben die Teilnehmer, wie lange es dauern kann, bis eine taktische Ventilation Wirkung zeigt, wie sich die Einsatzbedingungen für die Einsatzkräfte verbessern und was Einfluss auf die Luftströmung hat.
Bei «Kies» unter den Einsatzstiefeln Rückzug antreten
Bei einem Tiefgaragenbrand muss immer mit Abplatzungen gerechnet werden. Um die Gefährdung der Einsatzkräfte durch (Teil-)Einstürze zu reduzieren, empfiehlt die International Fire Academy beim Löschangriff die Strukturkühlung. Sie ist neben der eigentlichen Brandbekämpfung Thema einer Detaillektion im Intensivkurs Tiefgarage.
Gleichzeitig sollen die Einsatzkräfte auf das Ausmass von Abplatzungen achten – insbesondere, wenn sie in dichtem Rauch zum Brandherd vordringen wollen. Wenn sie unter den Stiefeln viel Geröll oder Kies spüren, bedeutet dies, dass es stärkere Abplatzungen gegeben hat. Dann sollen sich die Einsatzkräfte in einen sicheren Bereich zurückziehen.
Schlauchmanagement unterstützt die Rückwegsicherung
Die Druckleitung dient auch der Rückwegsicherung. Bei grossen Eindringtiefen ist besonders darauf zu achten, dass die Leitung gestreckt ist, damit auch über lange Distanzen ein rascher Rückzug möglich ist. Im Workshop Schlauchmanagement werden verschiedene Möglichkeiten zur Erstellung und dem Vorrücken mit der Druckleitung gezeigt.
Suchen & Retten in Tiefgaragen
Bei einem Brand in einem Tunnel haben Feuerwehren häufig relativ günstige Bedingungen für das Suchen & Retten von Personen. In Tiefgaragen treffen sie eine andere Situation an: Aufgrund der niedrigen Deckenhöhe entstehen sehr hohe Temperaturen im bodennahen Bereich. Wegen der daraus resultierenden hohen Wärmebelastung der Einsatzkräfte ist das Suchen & Retten im dichten Rauch oft gar nicht möglich.
Wäre es sinnvoll, das Suchen & Retten in Tiefgaragen dennoch zu trainieren? Eine Auswertung von Tiefgaragen-Einsätzen durch die International Fire Academy ergab: Es wurde praktisch kein Fall gefunden, bei dem Personen bei einem Tiefgaragenbrand in der Tiefgarage in eine kritische Situation gekommen waren und durch die Feuerwehr gerettet werden mussten. Daher wird auf eine spezielle Detaillektion Suchen & Retten im Intensivkurs Tiefgarage verzichtet. In den Einsatzübungen wird das Suchen & Retten dann trainiert, wenn sich die Einsatzbedingungen verbessert haben.
Kurstermine
Es können jeweils bis zu 16 Atemschutzgeräteträger teilnehmen. Teilnahmevoraussetzungen sind eine abgeschlossene Feuerwehrgrundausbildung. Interesse an taktischen Entscheidungen ist wünschenswert.
Die International Fire Academy bitet den Intensivkurs Tiefgarage regelmässig an.
Übrigens: Einzelne Feuerwehren können unabhängig der geplanten Termine den Kurs für sich buchen.