Die Tunnelrettungs-Komposition der Matterhorn Gotthard Bahn be-steht aus zwei Zweiwegefahrzeugen mit Überdruckbelüftung und einem schienengebundenen Sanitätswagen.

Wie kommt die Feuerwehr von der Strasse auf die Schiene?

Bei den meisten Einsätzen in Strassentunneln können die Feuerwehren mit ihren Fahrzeugen direkt bis zur Einsatzstelle fahren. In den meisten Bahntunneln ist dies hingegen nur mit Spezialfahrzeugen möglich, beispielsweise mit Lösch- und Rettungszügen oder Zweiwegefahrzeugen, die sowohl auf Strassen als auch auf Schienen fahren können. Dieser Beitrag gibt eine Übersicht der wichtigsten Fahrzeugarten und ihrer taktischen Vor- und Nachteile.

Schiene, Strasse oder beides


Feuerwehrfahrzeuge für Einsätze in Bahntunneln können in drei Kategorien unterschieden werden:

  • Strassenfahrzeuge
  • schienengebundene Fahrzeuge
  • Zweiwegefahrzeuge

Unter Strassenfahrzeugen sind hier die Standard-Einsatzfahrzeuge der Feuerwehren zu verstehen. Mit ihnen können die Portale und seitlichen Zugänge nur auf Strassen, befestigten Wegen oder – mit geländegängigen Fahrzeugen – bis zu einem gewissen Grad auch querfeldein erreicht werden. Ein Einfahren in den Tunnel ist nur dann möglich, wenn dieser mit einer sogenannten festen Fahrbahn ausgestattet ist.

Bahntunnel mit Schotterbett können nur mit Schienenfahrzeugen oder mit Zweiwegefahrzeugen befahren werden, die sowohl auf Strassen und festen Wegen als auch auf Schienen fahren können.

Lösch- und Rettungszüge (LRZ)


Das bekanntestes Beispiel für schienengebundene Feuerwehr-Fahrzeuge sind die Lösch- und Rettungszüge. Sie setzen sich aus Fahrzeugen mit eigenem Dieselantrieb und Wagen ohne Antrieb zusammen. Eine typische Komposition besteht z. B. aus einem Rettungsfahrzeug, einem Tanklöschwagen und einem Gerätefahrzeug.

Rettungsfahrzeuge eines LRZ dienen zum einen dem Transport von Einsatzkräften in den Tunnel und sind entsprechend mit Atemschutzgeräten, Einsatzkleidung, Funkgeräten usw. ausgestattet. Zum anderen bieten sie die wichtigsten Grundfunktionen eines Rettungstransportwagens, die lebensrettenden Sofortmassnahmen und den Liegendtransport von bis zu neun Patienten ermöglichen. Insgesamt können Rettungsfahrzeuge je nach Typ bis zu 80 Personen aufnehmen.  

Das Gerätefahrzeug eines LRZ entsprecht im Prinzip einem Pionier- bzw. Rüstfahrzeug der Feuerwehren. Es enthält Maschinen und Werkzeuge für Interventionen auf Bahnanlagen, beispielsweise Rettungssägen, hydraulische Rettungsgeräte, Aufgleisgeräte oder spezielle Kupplungen für das Abschleppen havarierter Schienenfahrzeuge. Schweres Gerät kann mit einem Kran auf- und abgesetzt werden.

Der Tanklöschwagen eines LRZ führt je nach Typ bis zu 52'000 l Wasser und 1'800 l Schaummittel sowie rund 1'000 m Schlauchmaterial mit. Im Freien können mit dem Werfer auf dem Dach des Fahrzeuges Wurfweiten bis zu 70 m erzielt werden.

Zweiwegefahrzeuge


Zweiwegefahrzeuge können sowohl auf Strassen als auch auf Schienen fahren, wobei zwei Techniken zum Einsatz kommen. Entweder laufen die Gummireifen des Zweiwegefahrzeuges auf den Eisenbahnschienen und ein Führungsmechanismus hält das Fahrzeug auf Spur. Oder es können Schienenradsätze mit eigenem Antrieb hydraulisch ausgefahren werden.

Zweiwegefahrzeuge stehen in unterschiedlichsten Varianten im Einsatz. Manche sind mit Mannschaftsräumen ausgestattet, andere dienen primär dem Transport von Einsatzmitteln. Dafür werden häufig Modulwagen eingesetzt, die selbst Zweiwegefahrzeuge sind. Auf Gummirollen laufend können die Modulwagen über Strassen und Wege geschoben werden. Mit wenigen Handgriffen kann aber auch ein Schienenradsatz montiert werden.

Zum Aufgleisen der Zweiwegefahrzeuge bedarf es spezieller Eingleisstellen, geeignet sind aber beispielsweise auch Bahnübergänge. Und schliesslich: Auf Schienen darf ein Zweiwegefahrzeugen nur führen, wer eine entsprechende Ausbildung als Schienenfahrzeugführer absolviert hat. Die konkreten Anforderungen werden von den jeweiligen Aufsichtsbehörden definiert.

Entscheidend ist der gesicherte Raum


Der primäre Nutzen der zuvor gezeigten Fahrzeuge besteht darin, Menschen und Einsatzmittel auch über sehr lange Wegstrecken schnell an die Einsatzstelle im Bahntunnel bringen zu können. Aus taktischer Sicht besteht der wesentliche Unterschied zwischen den genannten Fahrzeugen im gesicherten Raum. Diesen bieten überdruckbelüftete Wagenteile, in die kein Brandrauch eindringen kann.

Über einen solchen gesicherten Raum verfügen z. B. die Rettungsfahrzeuge der Lösch- und Rettungszüge und deren Führerstände. Solche Fahrzeuge mit gesichertem Raum können – soweit es die Sichtbedingungen zulassen – auch durch Rauch in Richtung Einsatzstelle vorfahren. Damit wird der Fussweg der Atemschutztrupps vom gesicherten Raum bis zur Einsatzstelle kürzer bzw. die insgesamt erzielbare Eindringtiefe wird grösser. Und umgekehrt: Je näher der gesicherte Raum zur Einsatzstelle gebracht werden kann, umso schneller können zu rettende Personen in Sicherheit gebracht werden.

Die meisten Zweiwegefahrzeug verfügen bislang nicht über einen solchen gesicherten Raum. Deshalb sind diese Fahrzeuge nicht geeignet, um die effektive Eindringtiefe zu erhöhen. Bei der Fahrt durch Rauch muss die Fahrzeugbesatzung Atemschutz tragen, verbraucht also Luft. Und bei Anfahrt auf der Anströmseite muss sichergestellt sein, dass die Atemschutzträger auch zu Fuss ausreichend Luft für ihren Rückweg zum nächstmöglichen sicheren Raum haben, also z. B. dem Portal oder einem Notausgang. Gleichwohl sind auch Zweiwegefahrzeuge ohne gesicherten Raum äusserst hilfreich, wenn viel und schweres Material im Tunnel über weite Strecken transportiert werden muss.

Sowohl als auch


Einen innovativen Ansatz folgen die Rettungsfahrzeuge der Matterhorn Gotthard Bahn, die 2020 in Betrieb genommen wurden. Sie bestehen aus einer Kombination von schienengebundenen und Zweiwegefahrzeugen: einem Zweiwege-Personentransportfahrzeug, einem schienengebundenen Sanitätswagen und einem Zweiwege-Löschrettungsfahrzeug. Dank Überdruckbelüftung und gesicherten Räumen kann eine solche Komposition bis zu 60 Personen aufnehmen. Diese Fahrzeuge werden nicht nur in Tunneln, sondern auch in anderen schwierig zugänglichen Bereichen der Bahnstrecken eingesetzt.

Weitere Transportmittel


Haben Sie Erfahrungen mit weiteren Transportmitteln für Tunneleinsätze gemacht? Wir würden uns freuen, wenn Sie uns berichten würden. Schreiben Sie uns Ihre Sichtungen und Erfahrungen mit weiteren Transportmitteln an contact(at)ifa-swiss.ch. Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldung.

Übrigens: Transportmittel für die Rettung von Personen über lange Wegstrecken und deren Verwendung sind Thema des Magazinbeitrages «Personen tragen, schleifen, rollen? Eine Frage für die Einsatzvorbereitung?»