Feuerwehr-Einsatz bei einem Brand in einem Strassentunnel

Rauchumkehr – unterschätzte Gefahr

Im Ausbildungsbetrieb fällt regelmässig auf, dass die Gefahr der Rauchumkehr bei Brandeinsätzen in Tunneln allgemein unterschätzt wird. Deshalb greifen wir dieses für die Sicherheit der Einsatzkräfte äusserst wichtige Thema hier auf und zeigen, wie die Risiken einer plötzlichen Strömungsumkehr gemindert werden können.

Meist stabile Strömungsrichtung in Strassentunneln


Bei Bränden in Tunneln bilden sich immer eine Abströmseite und eine Anströmseite. Auf der Abströmseite zieht der Rauch ab, weshalb hier meist schwierige Einsatzbedingungen herrschen. Auf der Anströmseite sind hingegen gute Arbeitsbedingungen zu erwarten, weil ständig frische Luft nachfliesst. In Strassentunneln mit Lüftungsanlagen ergibt sich die Strömungsrichtung aus der Steuerung der Ventilatoren, weshalb sie in den meisten Fällen während des gesamten Einsatzes stabil bleibt.

Strömungsumkehr in Bahntunneln


Viele Bahntunnel haben keine stationäre Lüftungsanlage. Hier ergibt sich die Strömungsrichtung aus einem komplexen Zusammenspiel von Fahrtwind, Thermik des Brandes und natürlicher Belüftung. Kommt ein Zug infolge eines Brandes im Tunnel zum Stehen, wird sich der Rauch wegen des Fahrtwindes zunächst in die bisherige Fahrtrichtung ausbreiten. Lässt die Wirkung des vom Zug zuvor erzeugten Fahrtwindes nach, kann sich die Strömungsrichtung umkehren. Dann wird die bisherige Anströmseite zur Abströmseite.

Mehrfache Rauchumkehr ist möglich

Den unangenehmen Effekt einer plötzlichen Rauchumkehr bekamen Einsatzkräfte zum Beispiel beim Brand im Simplon Bahntunnel (CH/I) im Juni 2011 zu spüren. Hier wurde die Strömungsumkehr wahrscheinlich durch den Kolbeneffekt einer Diesellok ausgelöst, die einen Teil des havarierten Zuges während der Brandbekämpfung aus dem Tunnel ziehen sollte. Beim Brand eines Güterwagens im Leinebuschtunnel (D) im März 1999 kehrte sich die Strömungsrichtung aufgrund natürlicher Luftdruckschwankungen sogar mehrfach um. Auch in Strassentunneln ist eine Rauchumkehr nicht gänzlich auszuschliessen. Im Mai 2018 gerieten Einsatzkräfte im San Bernadino Tunnel (CH) in grosse Not, als in Folge von Missverständnissen bei der Steuerung der Lüftungsanlage plötzlich der Brandrauch direkt auf sie gelenkt wurde.

Rückzugsmöglichkeit sichern


Wegen der jederzeit möglichen Rauchumkehr muss auch beim Eindringen auf der rauchfreien Anströmseite ein Atemschutzgerät getragen werden, jedoch ohne angelegte Maske. Die Einsatzkräfte sollten dann maximal so weit eindringen, dass ihnen im Fall einer plötzlichen Strömungsumkehr der Atemluftvorrat für einen Rückzug durch den Rauch genügt.

Dazu wurden vom Didaktik- und Entwicklungsteam (DET) der International Fire Academy folgende Überlegungen angestellt: Unter Berücksichtigung des Kompressionsfaktors liefert ein Pressluftatmer mit zwei 6,8-Liter-Flaschen und einem Fülldruck von 300 bar rund 3'700 Liter Atemluft. Bei einem Atemluftverbrauch von 50 Litern pro Minute beträgt die rechnerische Einsatzdauer etwa 74 Minuten. Soll die Hälfte des Atemluftvorrats als Sicherheitsreserve dienen, steht für 37 Minuten Rückweg Luft zur Verfügung. Bei einer Gehgeschwindigkeit von 25 Metern pro Minute können in dieser Zeit rechnerisch 925 Meter zurückgelegt werden. Von dieser Modellrechnung ausgehend hat das DET folgenden Orientierungswert definiert: Muss beim Eindringen im rauchfreien Bereich wegen einer plötzlichen Umkehr der Strömungsrichtung durch den Rauch zurückgekehrt werden, dürfte bei vollen Flaschen ein Rückweg von etwa 1'000 Metern zu bewältigen sein. Bei Einflaschengeräten bzw. Flaschen mit anderen Volumina sind die Werte analog zu berechnen.

Folglich muss der Atemschutztrupp ständig prüfen, wie weit er bereits in den Tunnel eingedrungen ist. Dafür sind die Kilometerschilder eher ungeeignet, denn die Truppleute müssten sich dann merken, bei welcher Kilometrierung sie losgelaufen sind. Das kann unter Stress schwierig sein. Deshalb empfiehlt die International Fire Academy sich an den Fluchtwegeschildern zu orientieren. Sie zeigen die bereits erzielte Eindringtiefe sozusagen im Klartext an.

Schwieriger wird es allerdings, wenn ein Trupp beispielsweise von einem Lösch- und Rettungszug aus vorgeht, dessen Rettungswagen als gesicherter Raum gilt. Hier muss sich der Trupp merken, welche Distanz das nächstgelegene Fluchtwegeschild zeigt und überschlagen, bei welcher Distanzangabe umzukehren ist.

Ein Thema für die Einsatzplanung


Die 1’000-Meter-Grenze ist ein Orientierungswert. Selbstverständlich wird ein Trupp nicht wenige Meter vor seinem Ziel exakt bei der Tausendermarke umkehren, zumal in diesen Grenzwert eine Sicherheitsmarge «eingebaut» ist. Entscheidend ist, das Gefahrenbewusstsein zu schärfen. Auch wenn die Bedingungen auf der Anströmseite noch so gut sind: Es gibt keine Garantie, dass dies so bleibt. Kehrt der Rauch plötzlich um, aus welchem Grund auch immer, muss der Trupp in der Lage sein, sich in Sicherheit zu bringen. Deshalb empfehlen wir, diese Gefahr in der Standort-Ausbildung zu thematisieren und einsatzvorbereitend zum Beispiel zu klären, in welchen Abständen die Fluchtwegeschilder des eigenen Tunnels montiert sind oder welche Distanzangaben sonst genutzt werden können, etwa Sektorenkennzeichnungen.

Auch ein Thema der Einsatzvorbereitung sollte der Einsatz von mobilen Grosslüftern sein, mit denen die Strömungsrichtung zwar nicht umgekehrt, jedoch unter Umständen stabilisiert werden kann, um die Wahrscheinlichkeit einer Rauchumkehr zu verringern.

Weitere Informationen zur Rauchumkehr und zu anderen Gefahren finden sich in unserem Fachbuch «Brandeinsätze in Bahntunnel».