«Kenne deinen Tunnel» ist einer der wichtigsten Lehrsätze der International Fire Academy. Deshalb geben wir in diesem Beitrag Anregungen, wie Feuerwehrangehörige Begehungen von Bahn- und Strassentunneln organisieren und gestalten können und was dabei besonders zu beachten ist.
Wozu Tunnelbegehungen nützlich sind
Tunnelbegehungen leisten einen wichtigen Beitrag für die Sicherheit der Feuerwehrangehörigen: Je genauer Einsatzkräfte ihren Tunnel kennen, desto besser können sie sich im Einsatz in den Anlagen orientieren, Gefahren erkennen und anlagenseitige Sicherheitseinrichtungen wie z. B. Hydranten nutzen.
Die Praxis kennt viele Varianten von Tunnelbegehungen
Tunnelbegehungen können unterschiedlich gestaltet werden. Im einfachsten Fall laufen die Teilnehmenden ein Stück weit durch Röhren und Stollen. Sie lernen dabei zum Beispiel, wie hoch die Bordsteinkanten sind, wo Stolperfallen drohen oder was sich hinter den Türen von SOS-Stationen verbirgt.
Spannende Blicke hinter die Kulissen
Zu einer Begehung gehört auch ein Blick in Neben- und Technikräume von Tunnelanlagen. Sie können ebenfalls von Brandereignissen betroffen sein. Dann ist es hilfreich, elektrische Betriebsräume, Lösch- und Lüftungsanlagen schon einmal gesehen zu haben.
Tunnel werden von Menschen gesteuert
Viele Feuerwehren nutzen Begehungen auch dazu, mit jenen Menschen ins Gespräch zu kommen, mit denen sie im Ereignisfall eng zusammenarbeiten müssen. Seien es Tunnelmanager, Sicherheitsbeauftragte, Techniker, Mitarbeiter in den Tunnelzentralen oder Kollegen des Rettungsdienstes und der Polizei. Dies fördert das gegenseitige Verständnis für die unterschiedlichen Bedürfnisse und Möglichkeiten.
Kleine Übungen mit grossem Erkenntnisgewinn
Begehungen können zu kleinen Übungen ausgebaut werden. Beispielsweise kann eine Löschleitung durch einen Notausgang von einer Röhre in eine andere verlegt werden. Das wirft sofort praktische Fragen auf, die konkrete Erkenntnisse ermöglichen: Wo soll das Löschfahrzeug stehen? Wo soll die Leitung liegen, damit sie keine Stolperfalle darstellt? Welche Konsequenzen hat es, dass sich die Tür wegen der Leitung nicht mehr schliessen lässt?
Für Begehungen Wartungsfenster nutzen
Bei laufendem Verkehr wäre eine Tunnelbegehung nicht nur unpraktisch, sondern gar gefährlich. Deshalb nutzen die meisten Feuerwehren Wartungsfenster, wenn die Tunnel ab den frühen Abendstunden ohnehin für den öffentlichen Verkehr gesperrt sind. Wir empfehlen, dafür frühzeitig mit dem Tunnelbetreiber Kontakt aufzunehmen und gemeinsam zu überlegen, welche Teile des Tunnels für Begehungen oder kurze Übungssequenzen genutzt werden können, ohne dass sich Wartungsarbeiten und die Feuerwehraktivitäten gegenseitig stören. Dies ist nach unseren Erfahrungen bei allen Wartungsarbeiten möglich, da nicht in allen Bereichen des Tunnels gleichzeitig gearbeitet wird. Der Ablauf muss aber zuvor besprochen und gut geplant sein.
Begehungen von Bahntunneln sind besonders wichtig
Die meisten Einsatzkräfte haben von «ihren» Strassentunneln wenigstens einen optischen Eindruck, weil sie diese mehr oder weniger häufig selbst befahren. Bahntunnel hingegen sind meistens nur sehr schwach beleuchtet. Deshalb vermittelt das Durchfahren in einem Zug wenig Einsicht in deren Beschaffenheit, geschweige denn einen Eindruck davon, wie herausfordernd z. B. das Begehen von Schotter oder Kabelkanälen ist. Allerdings haben Bahntunnel eher weniger Wartungsfenster als Strassentunnel. Viele Bahnunternehmen sind jedoch bereit, Begehungen durch kurzzeitige Sperrungen zu ermöglichen, was dann aber sorgfältig geplant werden muss.
Häufigkeit ist auch eine Frage des organisatorischen Aufwands
Umfangreiche Begehungen und Besichtigungen sind, insbesondere bei Bahntunneln, mit hohem organisatorischen Aufwand verbunden. Deshalb können diese eher selten stattfinden. Hier bietet es sich an, möglichst viele Teilnehmer aufzubieten, beispielsweise mit Angehörigen von allen Feuerwehren, die eventuell zum Einsatz kommen könnten.
Auch Aussenanlagen einbeziehen
Je nach Tunnelanlage kann sich auch eine Besichtigung von Aussenanlagen lohnen. Insbesondere bei Bahnanlagen im grossstädtischen Bereich gibt es Erstaunliches zu entdecken, beispielsweise Fluchtwege, die von einem Tunnel in Wohngebäude oder beispielsweise einen Park führen.
Begehungen wichtig für alle Einsatzkräfte
Tunnelbegehungen sind für alle Einsatzkräfte wichtig, die möglicherweise in einen Tunneleinsatz kommen. Auch Führungskräfte, die im Ernstfall ausserhalb der Röhren bleiben, sollten z. B. einmal den langen Weg von einem Notausgang bis zum nächsten gegangen sein – um zu wissen, welche Belastungen sie ihren Einsatzkräften mitunter abverlangen.
Strassentunnel: Viele kleine Begehungen für nachhaltige Wirkung
In Strassentunneln können Begehungen gut in die Wartungsfenster integriert werden. Deshalb bietet es sich hier an, möglichst häufig kurze Begehungen oder Übungen zu organisieren. Bei entsprechender Vorbereitung gemeinsam mit dem Tunnelbetreiber können sie zu Beginn der Wartungsarbeiten bzw. Tunnelsperrungen und damit nicht allzu spät am Abend durchgeführt werden.
In der Bauphase braucht es regelmässige Begehungen
Während der Bauphase ändern sich die Gefahrensituationen und Einsatzbedingungen in einem Tunnel laufend. Feuerwehren, die in dieser Phase für den Abwehrenden Brandschutz oder die Technische Hilfeleistung zuständig sind, sollten den Tunnel daher regelmässig begehen.
Hohe Motivation für Feuerwehrangehörige
Nach unserer Erfahrung sind Tunnelbegehungen für Feuerwehrangehörige hoch motivierend. Nicht nur weil sie die Möglichkeit bieten, sich besser auf Einsätze vorzubereiten, sondern auch weil sie spannende und oft exklusive Einblicke in verborgene Welten bieten. Denn die meisten Tunnelanlagen bestehen aus weit mehr Infrastrukturteilen als den für alle Nutzer sichtbaren Röhren.
Begehungen für die Einsatzplanung
Schliesslich sind Begehungen eine wesentliche Voraussetzung für die detaillierte Einsatzplanung. Hierfür genügt es nicht, durch die Anlagen zu gehen und einzelne Teile davon genau anzuschauen. Es sind auch viele Fragen beispielsweise zu Notfallprozeduren des Betreibers, Lüftungssteuerung, Notbeleuchtung oder Kommunikationseinrichtungen zu klären. Umfangreiche Checklisten dafür finden sich in unseren beiden Fachbüchern «Brandeinsätze in Strassentunnel» und «Brandeinsätze in Bahntunneln».
Erfahren Sie mehr ...
...über Einsätze, Lehrunterlagen, Technik, bewährte Einsatzmittel, Gefahren und andere feuerwehrrelevante Themen in unseren zahlreichen Magazinbeiträgen.