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Kurzbericht über das 9. Kommandanten-Forum: Erkenntnisse und Impulse

Das wertschätzende Feedback der Teilnehmer zum 9. Kommandanten-Forum in Sursee (CH) zeigt: Das Forum als nicht-öffentlicher Raum für den (selbst-)kritischen, ehrlichen Austausch über Einsätze, Übungen und Entwicklungen ist ein wichtiger Baustein in der Vorbereitung auf Ereignisse in Bahn- und Strassentunneln. Wir präsentieren im folgenden Beitrag interessante Erkenntnisse aus dem jüngsten Kommandanten-Forum vom März 2023 und zeigen das breite Themenspektrum dieser Veranstaltung auf.

Missverständnisse im Einsatz sind ein kritischer Zeitfaktor


Die Bedeutung guter Verständigung im Einsatz steht ausser Frage. Dennoch zeigt sich in Übungen und bei Ereignissen: Feuerwehren können nicht genug auf sprachliche Präzision achten. So sorgten einfache Begriffe beim Einsatz in einem Strassentunnel für Verwirrung bei Einsatzkräften und Einsatzleitern: Was ist jeweils gemeint mit den Worten «Gegenröhre», «Gegenfahrrichtung» und «gegen die Fahrtrichtung»?

Taktisch entscheidende Informationen prüfen

Bei einer Evakuierung von Reisenden aus einem liegengebliebenen Zug in einem Bahntunnel führten Missverständnisse dazu, dass von einer zu niedrigen Zahl betroffener Fahrgäste ausgegangen wurde. Dies bremste den gesamten Ablauf. Im Ergebnis dauerte die Evakuierung von mehreren hundert Personen deutlich länger als erwartet – nämlich über zwei Stunden. An diesem Beispiel zeigt sich, wie wichtig es ist, taktisch entscheidende Informationen zu identifizieren und durch Rückfragen zu verifizieren.

Non-verbale Kommunikation kann Verständigung beschleunigen


Ein Bild oder Video sagt auch im Einsatz mehr als tausend Worte. Beim Brand eines Lastwagens im Semmering Tunnel übertrug der Abschnittsleiter per Handy-Video Bilder von der Einsatzstelle an die Einsatzleitung. Dadurch konnte die Abstimmung über das weitere Vorgehen deutlich beschleunigt werden. Mit der Handy-Kamera, hinter die Windschutzscheibe des Einsatzfahrzeuges geklemmt, wurde zudem der gesamte Einsatz aufgezeichnet, so dass der Tunnelbrand für die interne Schulung besser ausgewertet werden konnte.

Zeichen für den Notfallmanager Bahn setzen

Bei Bahneinsätzen ist die Kommunikation zwischen dem Notfallmanager des Bahnunternehmens und dem Einsatzleiter der Feuerwehr an der Einsatzstelle von grosser Bedeutung. Doch wie nehmen beide miteinander Kontakt auf? Und wie finden sie sich?

Für die Deutsche Bahn erläutert Klaus Kruse, dass der Notfallmanager Bahn bei einem Ereignis als erstes den Feuerwehr-Einsatzleiter vor Ort sucht. Deshalb sollte dieser leicht auffindbar sein. Ein rotes Blinklicht, an einem Mast von weitem gut sichtbar befestigt, kann eine schnelle Orientierung ermöglichen. In anderen Ländern sollten Feuerwehren klären, wie die Kontaktaufnahme zwischen Vertretern der beteiligten Organisationen beschleunigt werden kann.

Handeln im Einsatz orientiert sich an drängenden Fragen


Einsatzberichte finden bei den Kommandanten-Foren immer grosses Interesse. Besonders berührt hat in diesem Jahr der Bericht über das Zugunglück in Garmisch-Partenkirchen (D). Bereits das Suchen & Retten von Verletzten brachte die Einsatzkräfte an ihre Grenzen. Dennoch setzten sie ihre Arbeit auch dann fort, als sie nicht mehr von weiteren Überlebenden ausgehen konnten. Die Ungewissheit der Angehörigen über eine noch vermisste Person war für sie der Antrieb, die Suche fortzusetzen und auch die letzte entscheidende Frage zu beantworten.

Die eigenen Vorstellungen im Austausch prüfen


Ein Anliegen des Kommandanten-Forums ist es, auch Einblicke in die Welten von Kooperationspartnern zu bieten. So können eigene Vorstellungen an der Praxis überprüft werden. Für viele Teilnehmer erwies sich eine Information aus der Welt der Tunnelbauer als neu. Sollte es zu einem Brand am Kopf einer Tunnelbohrmaschine kommen, so führt nur ein Weg zum Einsatzort: durch den Bauch der Maschine. Für Feuerwehren lautete daher der Tipp, frühzeitig einen Termin zur Begehung der Tunnelbohrmaschine zu vereinbaren, bevor sie an der Baustelle zum Einsatz kommt.

Die Möglichkeiten moderner Tunneltechnik nutzen


Der frühzeitige Austausch mit Betreibern über die Technik in deren Strassentunneln kann Feuerwehren ebenfalls Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Ein Beispiel sind Durchsagen bei einem Ereignis im Tunnel: In modern ausgestatteten Tunneln müssen Ansagen nicht vom Band abgespielt werden. Es sind auch Live-Durchsagen möglich. Die Forschung gibt Hinweise darauf, dass Tunnelnutzer Bandansagen weniger vertrauen und somit auch weniger folgen als persönlichen Durchsagen. Feuerwehren sollten daher die Kommunikationseinrichtungen, -wege und -rechte für Tunneldurchsagen mit den Betreibern klären.

Zusammenarbeit über Organisationsgrenzen hinweg ist entscheidend für den Einsatzerfolg


Einsätze in Tunneln sind oft mit einem grossen Kräftebedarf verbunden, wozu die meisten Tunnelfeuerwehren auf die Unterstützung der Feuerwehren aus den Nachbargemeinden zurückgreifen. Doch diese Kooperationsmöglichkeiten sind nicht immer im erforderlichen Umfang gegeben.  Ein besonderes Beispiel sind die aktuellen Bauprojekte für den Fehmarnbelt- und den Fehmarnsundtunnel – beides kombinierte Bahn- und Strassentunnel. Aufgrund der Insellage stünden bei einem Ereignis im Tunnel keine umliegenden Feuerwehren zur Verfügung, um ausreichend Einsatzkräfte aufbieten zu können. Daher wird eine hauptamtliche Wache mit ca. 50 Planstellen aufgebaut. Sie soll mit drei Wachabteilungen im 24-Stunden-Dienst die Gefahrenabwehr für die beiden Tunnelprojekte sicherstellen und bei grösseren Ereignissen auf der Insel als Schadenwehr unterstützen.

Neue Risiken interdisziplinär anpacken


Wenn neue Technologien eingeführt werden, ergeben sich oft auch neue potentielle Risiken. Eine sorgfältige Risikoanalyse ist umso wichtiger, wenn Technologien infolge politischen Drucks rasch eingeführt werden, wie dies am Beispiel der wasserstoffbetriebenen Fahrzeuge dargelegt wurde.

Es sind Risiken zu antizipieren, die bislang möglicherweise gar noch nicht existierten. Und es sind entsprechende Strategien zu entwickeln, wie den Risiken begegnet wird. Hierfür sind interdisziplinäre Kooperationen unabdingbar – von den Norm- und Gesetzgebern über Fahrzeughersteller und deren Lieferanten bis zu Tunnelbetreibern und Ereignisdiensten. Und genau dies wurde beispielsweise im Rahmen der Projekte «HyTunnel-CS» und «HyResponder» auch gemacht. Am 9. Kommandanten-Forum konnten dann erste Empfehlungen für Feuerwehren ausgesprochen werden.

In unserem Magazinbeitrag «Wasserstoff-Fahrzeuge in Tunneln: Grosse Gefahr für Einsatzkräfte» haben wir über das Gefahrenpotential bereits berichtet. Und im Magazinbeitrag «Worst Case: Tödliche Druckwelle bis zum Tunnelportal» kam auch ein Experte des Karlsruher Instituts für Technik zu Wort.

Die Dynamik von Ereignissen spiegelt sich in der Kommunikation


Wie viele Kommunikationsstränge und Informationen in einem Ereignis miteinander in Beziehung stehen, verdeutlichte der Projektbericht SIKET zur Evaluierung und Weiterentwicklung der Sicherheitskonzepte für Eisenbahntunnel. Bei einer Tunnelübung wurde der Informationslauf dokumentiert, grafisch dargestellt und analysiert. Damit die parallel agierenden Funkrufgruppen und die Face-to-Face-Kommunikation sauber ineinandergreifen können, müssen Kommunikationsregeln verinnerlicht sein und selbst in der Hektik des Einsatzes befolgt werden. Visualisierte Kommunikationsabläufe können dazu beitragen, dies zu vermitteln.

Soziale Kompetenz aus Auswahlkriterium für Instruktoren


Zwei Jahre lang dauert das regionale Auswahlverfahren für angehende Instruktoren in der Schweiz. Haben sie das Assessment erfolgreich bestanden, so werden sie zentral in nationalen Kursen zu schweizerischen Feuerwehrinstruktoren ausgebildet. Auch die erfahrenen Instruktoren, die an der International Fire Academy tätig sind, haben ursprüngliche diese Ausbildung durchlaufen und wurden dann für ihre Ausbildungstätigkeit im Bereich der Tunnelereignisbewältigung weitergebildet. Neben dem Fachwissen und der Erfahrung sind die Persönlichkeit und die soziale Kompetenz einschliesslich der Kommunikationsfähigkeit Schlüsselkriterien für die erfolgreiche Tätigkeit als Instruktor.

10. Kommandanten-Forum im Frühjahr 2024


Die Vorbereitungen für das 10. Kommandanten-Forum vom 13. bis 15. März 2024 haben bereits begonnen. Die Veranstaltung bleibt weiterhin nicht-öffentlich; für die Teilnahme ist eine persönliche Einladung erforderlich. Damit wollen wir den Rahmen für eine vertrauensvolle Kommunikation zwischen den Teilnehmern schaffen, um Leistungsgrenzen des Feuerwehrsystems offen diskutieren und gemeinsam lernen zu können.

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