Wie viele Kräfte braucht es für einen Brandeinsatz in einem Strassen- oder Bahntunnel? Pauschal kann diese Frage nicht beantwortet werden. Deshalb geben wir in diesem Beitrag einige Hinweise für die anlagen- und ortsspezifische personelle Bedarfsplanung.
Der Kräftebedarf ergibt sich aus den Aufgaben
Für Brandeinsätze in Verkehrstunneln hat sich bewährt, zwischen den Kernaufgaben «Erkunden», «Löschen» und «Suchen & Retten» zu unterscheiden. Hinzu kommen die Aufgaben der Einsatzleitung sowie die für Brandeinsätze typischen Unterstützungsfunktionen, etwa die Atemschutzüberwachung oder die Wasserversorgung über lange Wegstrecken.
Kräftebedarf für den Erkundungstrupp
Für Erkundungen ausserhalb des Gefahrenbereiches, zum Beispiel im Freien vor einem Notausgang, kann eine Einsatzkraft genügen. In Bereichen, die verraucht sind oder verrauchen können, sind mindestens zwei Kräfte einzusetzen. Sie sollen die zu erkundende Situation aus der Perspektive der Einsatzleitung wahrnehmen und beurteilen. Deshalb sollte zumindest der Chef des Erkundungstrupps eine erfahrene Einsatzkraft sein, die idealerweise auch über umfassende Kenntnisse der Tunnelanlage verfügt.
Kräftebedarf für den Löschtrupp
Es liegen keine statistischen Untersuchungen vor, wie viele Kräfte zum Löschen von Fahrzeugbränden in Tunneln von den Feuerwehren durchschnittlich eingesetzt werden. Die International Fire Academy empfiehlt den Einsatz von fünfköpfigen Löschtrupps. Dabei nehmen je zwei Kräfte ein Rohr vor. Sie werden vom Truppchef koordiniert, der auch mit der Abschnitts- bzw. Einsatzleitung kommuniziert und die Wirksamkeit der Massnahmen mittels Wärmebildkamera beobachtet.
Kräftebedarf für den Such- und Rettungstrupp
Der Personalbedarf für den Such- und Rettungstrupp ergibt sich aus der Suchtaktik: In einem zweispurigen Strassentunnel suchen je zwei Kräfte die Fahrzeuge auf einer Spur ab. Zum Absuchen von Reisezugwagen in Bahntunneln werden je zwei Einsatzkräfte rechts und links des Zuges sowie im Zug eingesetzt, also insgesamt sechs Einsatzkräfte. Bei Doppelstockwagen können zwei weitere Einsatzkräfte für das obere Wagendeck erforderlich sein. Die Koordination erfolgt jeweils durch den Truppchef.
Trupps müssen multifunktional eingesetzt werden können
Werden die Kräfte im Einsatz beispielsweise als Löschtrupp eingeteilt, so bedeutet dies nicht, dass sie den gesamten Einsatz über ausschliesslich dessen Funktionen wahrnehmen. Unabhängig vom anfänglichen Auftrag muss die Einsatzleitung jede Einheit für jede Aufgabe einsetzen können.
Anzahl der Trupps ist situationsabhängig
Wie viele Erkundungs-, Lösch- und Rettungstrupps im konkreten Einsatz benötigt werden, ist von vielen Faktoren abhängig. Eine grobe Faustformel lautet: Sofern der Tunnel über eine leistungsfähige Wasserversorgung verfügt, werden für die eigentliche Brandbekämpfung relativ wenige Kräfte benötigt. Für das «Suchen & Retten» sind bei langen Tunneln, die vollständig verrauchen können, möglicherweise Dutzende von Such- und Rettungstrupps erforderlich. Im Folgenden werden zunächst Kriterien für den Bedarf an Trupps in Strassentunneln vorgestellt, anschliessend folgen Hinweise zur Situation bei Brandeinsätzen in Bahntunneln.
Bedarf an Erkundungstrupps
Der Bedarf an Erkundungstrupps ergibt sich sowohl bei Bahn- als auch bei Strassentunneln aus den zu beschaffenden Informationen, die in anlagespezifische und ereignisspezifische Informationen unterschieden werden können.
Anlagespezifische Informationen sind z.B. Tunnellänge, Anzahl und Anordnung der Röhren, Spuren, Gleise, Notausgänge, Lüftungsart, Sicherheitseinrichtungen etc. Je mehr solche Informationen bereits in der Einsatzplanung erhoben und dokumentiert wurden, desto weniger muss im Einsatzfall erkundet werden.
Vorlagen für Einsatzpläne können im Bereich «Wissen» heruntergeladen werden.
Ereignisspezifische Informationen sind z. B. was wo genau brennt, in welche Richtung der Rauch zieht, wie viele Menschen betroffen sind, wie sich die Selbstrettenden verhalten und ob Gefahrgut involviert ist. Um diese Informationen zu beschaffen sind umso mehr Erkundungstrupps erforderlich, je komplexer die Tunnelanlage und das Geschehen sind. Durch einen direkten Zugriff auf Überwachungskameras und Videoaufzeichnungen des Ereignisablaufs können die erforderlichen Personalressourcen erheblich reduziert werden.
Bedarf an Löschtrupps
Nach den Rückmeldungen zu urteilen, die die International Fire Academy von den Feuerwehren erhält, genügt ein fünfköpfiger Löschtrupp, um selbst bei grösseren Fahrzeugbränden einen raschen Löscherfolg zu erzielen. In der Ersteinsatzphase ist jedoch oft nicht eindeutig zu klären, von welcher Portalseite der Brandort am schnellsten erreicht werden kann. Deshalb empfiehlt die International Fire Academy bei allen Brandeinsätzen in Tunneln grundsätzlich von beiden Seiten mit je mindestens einen Löschtrupp vorzugehen (Zweiseitenangriff). Gelöscht wird dann von demjenigen Trupp, der die Brandstelle zuerst erreicht. Der zweite Trupp kann zum Beispiel als Sicherungstrupp eingesetzt werden oder den ersten bei grösseren Bränden unterstützen.
Bedarf an Such- und Rettungstrupps in Strassentunneln
In Strassentunneln ergibt sich der Bedarf an Such- und Rettungstrupps primär aus der Anzahl der möglicherweise verrauchten Abschnitte, wobei mit «Abschnitt» der Bereich einer Tunnelröhre zwischen zwei Notausgängen gemeint ist. In Strassentunneln nach aktueller europäischer Norm sind diese Abschnitte maximal 500 m lang; das entspricht der Distanz, die Atemschutzgeräteträger mit Zweiflaschengeräten i.d.R. gerade noch bewältigen können. In einigen Strassentunneln beträgt der Abstand zwischen Notausgängen um die 100 m. Hier ist zu überlegen, ob für jeden Abschnitt ein einzelner Trupp eingesetzt werden soll; für diesen würden dann Einflaschengeräte genügen. Oder ob ein Trupp mit Zweiflaschengeräten zwei oder drei Abschnitte absuchen soll.
Wie viele Abschnitte eines Strassentunnels verrauchen können, hängt hauptsächlich von der Art der Brandfallbelüftung ab. Wird der Rauch beiderseits der Brandstelle abgesaugt, wird die Verrauchung auf wenige Abschnitte begrenzt. Bei Längslüftung wird der Rauch im Fahrraum zum Portal geschoben, was im ungünstigsten Fall zur Verrauchung der gesamten Röhre führen kann. In diesem Fall wird man so viele Trupps einsetzen wollen, wie Abschnitte verraucht wurden.
Bedarf an Such- und Rettungstrupps in Bahntunneln
Für Bahntunnel ist die Abschätzung des Personalbedarfs ausserordentlich schwierig. Erstens gibt es – glücklicherweise – kaum Erfahrungswerte, an denen man sich orientieren könnte. So ist zum Beispiel unbekannt, wie lange es unter Einsatzbedingungen in etwa dauert, einen 400 m langen Zug abzusuchen. Zweitens sind Bahntunnel sehr unterschiedlich. So gibt es viele kilometerlange Tunnel, die ausser den Portalen keinerlei Notausgänge haben. Bei Neubauten betragen die Abstände zwischen den Notausgängen meist 500 m. Drittens hängt der Personalbedarf auch davon ab, ob Lösch- und Rettungszüge oder Zweiwegefahrzeuge eingesetzt werden können. Zumindest für ältere Bahntunnel ist deshalb zur Abschätzung des Kräftebedarfs eine detaillierte Einzelfallbetrachtung erforderlich.
Kritischer Faktor: Anrückzeit
Einer der wichtigsten Parameter für den tatsächlichen Personalbedarf ist die Anrückzeit der Ersteinsatzeinheiten. Das untenstehende Diagramm zeigt den typischen Temperaturverlauf von Bränden. Nach der Entzündung entwickelt sich der Brand zunächst langsam, bis er mit der Durchzündung schlagartig in den Vollbrand übergeht. Die Entstehungsphase dauert bei Fahrzeugbränden ungefähr zehn Minuten.
Mit der Brandtemperatur nimmt auch die pro Zeiteinheit entstehende Rauchmenge zu. Das heisst: Je früher der Brand gelöscht wird, desto schneller kann der Tunnel entraucht werden, desto weniger lang sind Menschen den Brandgase ausgesetzt, desto schneller kann gesucht und gerettet werden, desto geringer sind die insgesamt zu erwartenden Personenschäden.
Für den Kräftebedarf bedeutet dies: Wenn ein Fahrzeugbrand innerhalb weniger Minuten nach der Entzündung gelöscht wird, ist der Kräftebedarf für das «Suchen & Retten» erheblich geringer als bei einem länger anhaltenden Vollbrand. Das mag trivial erscheinen, hat aber drei weitreichende Konsequenzen:
- Je schneller der Brand detektiert und die Feuerwehr alarmiert wird, desto grösser ist die Chance, Personenschäden zu begrenzen. Deshalb sollte dieser Prozess möglichst optimal gestaltet werden. Insbesondere sollte sichergestellt sein, dass der Alarmierungsstelle der Feuerwehr ohne jede Verzögerung gemeldet wird, sobald auch nur der geringste Verdacht auf einen Brand besteht. Immer mehr Tunnelfeuerwehren rücken mittlerweile bei allen Unfällen in «ihrem» Tunnel aus, auch wenn noch keinerlei Anzeichen für eine Brandentwicklung gegeben sind. Manche Feuerwehren sichern sogar die Bergung liegengebliebener Fahrzeuge durch Pannendienste mit einem Löschfahrzeug ab.
- Sind Tunnelfeuerwehren direkt am Portal stationiert, wie die Schadenwehr Gotthard am Gotthard Strassentunnel, können die Schadenausmasse auch mit wenigen Kräften wirksam begrenzt werden.
- Benötigt eine Tunnelfeuerwehr hingegen mehr als ungefähr zehn Minuten von der Detektion des Brandes bis zum Eintreffen an der Brandstelle im Tunnel, so sollte bei der Bedarfsplanung immer von Fahrzeugvollbränden und davon ausgegangen werden, dass bei Längslüftung möglicherweise die gesamte betroffene Röhre vollständig verraucht wird.
Fazit und Beispielrechnung
Nehmen wir als Beispiel einen 900 m langen einröhrigen Strassentunnel mit Längslüftung und – ausser den Portalen – zwei Notausgängen an. Dann sind im ungünstigsten Fall drei Abschnitte zu 300 m abzusuchen. Der Mindestbedarf könnte dann wie folgt kalkuliert werden:
- drei Erkundungstrupps mit je zwei Kräften,
- zwei Löschtrupps mit je fünf Kräften,
- drei Such- und Rettungstrupps mit je fünf Kräften,
- zuzüglich aller Unterstützungsfunktionen, die sich aus Reglementen (Dienstvorschriften), der jeweiligen Führungsorganisation und den Fahrzeugausstattungen ergeben, also z. B. Einsatzleiter, Maschinisten, Sicherungstrupps usw.
Die International Fire Academy empfiehlt, dieses immense Erstaufgebot in Planspieltechnik zu simulieren – auch um erkennen zu können, welcher Personalbedarf in der Anfangsphase nicht sicher gedeckt werden kann. Im Ergebnis verzichten manche Feuerwehren aus Personalmangel zum Beispiel auf den Einsatz der Erkundungstrupps, auch wenn dies suboptimal ist.
Bei grossen und komplexen Tunnelanlagen, für die bereits im ersten Abmarsch mehrere Feuerwehren gemeinsam eingesetzt werden müssen, empfiehlt es sich für die gemeinsame Einsatzplanung Workshops durchzuführen, bei deren Organisation und Duchführung die International Fire Academy beratend unterstützen kann.