Planung und Einsatzwirklichkeit gehen auch bei Tunnelbränden häufig auseinander. Was das für die Feuerwehren bedeuten kann, zeigte der Einsatzbericht von Florian Schett bei unserem zweiten Online-Forum. Christian Emrich kombinierte in seinem Vortrag Vorgaben zum baulichen Brandschutz von Tiefgaragen mit der Einsatzplanung von Feuerwehren und lieferte so hilfreiche Ansätze für die Taktik.
Eindringtiefe 1’600 m
Florian Schett, stellvertretender Kommandant der Feuerwehr Uttendorf (A), berichtete über einen Brandeinsatz auf der Baustelle für einen Kraftwerk-Versorgungstunnel. Nach Fertigstellung wird dieser mit einer Länge von 8,5 km der längste befahrbare Tunnel im Bundesland Salzburg sein.
Am 10. Juni 2021 geriet in dem noch im Bau befindlichen Tunnel ein Muldenmischer in Brand. Die Eindringtiefe vom Portal bis zur Brandstelle betrug rund 1’600 m. Der Fahrer des Betonmischers versuchte erfolglos den Brand zu löschen. Er alarmierte drei Kollegen, die in rund 600 m an der Ortsbrust arbeiteten. Die Bauarbeiter retten sich zunächst in einen Rettungscontainer, der sie für 24 Stunden ausreichend mit Atemluft versorgt hätte. Sie entschieden sich dann aber, durch den Rauch zu einem Seitenstollen und durch diesen ins Freie zu flüchten. Da auf der Anströmseite des Brandes gute Sichtbedingungen herrschten, konnten die Feuerwehren den Fahrzeugbrand löschen. Soweit die Kurzfassung des schlussendlich erfolgreichen Einsatzes.
In der Anfangsphase Chaos pur
Tatsächlich stellte der Einsatz die Feuerwehren vor erhebliche Herausforderungen. In der Anfangsphase, berichtet Florian Schett, «waren wir mit vieles Mankos konfrontiert»: Erstens zu wenig Information. So war anfangs völlig unklar, wo sich die Arbeiter befanden und ob sie sich selbst hatten retten können. Der Tunnelfunk war defekt, das Mobilfunknetz nur teilweise verfügbar, weshalb kein Kontakt zu den als vermisst gemeldeten Bauarbeitern hergestellt werden konnte und die Koordination der Einsatzkräfte im Tunnel nahezu unmöglich war.
Zweitens war die anlagenseitige Wasserversorgung ausgefallen. Und drittens war der Sammelplatz vor dem Portal derart mit Baumitteln zugestellt, dass es zunächst nicht gelang, den Bereitstellungsraum für die nach und nach in zehn Fahrzeugen der Feuerwehren Uttendorf, Stuhlfelden und Mittersill eintreffenden 140 Feuerwehr-Einsatzkräfte, die Fahrzeuge von Rettungsdienst und Polizei sowie den Rettungshubschrauber zu ordnen. Die Folge, so Florian Schett: «Am Anfang herrschte Chaos pur.»
Improvisation und Ordnung
Die Einsatzleitung, berichtet Florian Schett, konzentrierte sich zunächst darauf, dieses Chaos zu ordnen und «Ruhe reinzubringen». Das gelang umso besser, nachdem Gewissheit bestand, dass sich die Bauarbeiter ins Freie gerettet hatten. «Damit war klar, dass keine Personen mehr im Tunnel sind. Warum soll ich dann meine Mannschaft noch in Gefahr setzen?» Von da an war vor allem Improvisationskunst erforderlich, um den Fahrzeugbrand knapp 90 Minuten nach Brandausbruch unter Kontrolle bringen und eine Dreiviertelstunde später «Brand aus» melden zu können.
Schwachstelle: Kommunikation
Was in Florian Schetts Einsatzbericht aufhorchen lässt ist: Wie bei so vielen Einsätzen in unterirdischen Verkehrsanlagen war auch bei diesem Einsatz die grösste Schwachstelle die technische Kommunikation. Durch den defekten Tunnelfunk und die unzureichende Mobilfunkversorgung fehlten wichtige Informationen und wurden die Risiken der Einsatzkräfte unnötig erhöht. Wie sollen Sicherheitstrupps Kameraden retten, wenn zu diesen nicht einmal Funkkontakt besteht? Deshalb empfiehlt die International Fire Academy den Feuerwehren auf einen funktionierenden Tunnelfunkt zu beharren und dessen Zuverlässigkeit auch zu testen.
Neue Erkenntnis: Rauchumkehr
Von Bedeutung für alle Feuerwehren dürfte ein besonderes Detail sein. «Auf der Anströmseite,» berichtet Florian Schett, «herrschten ideale Sichtverhältnisse. Man hätte theoretisch ohne Atemschutz vorgehen können.» Als Folge des ersten Löschangriffs zog der Rauch jedoch kurzzeitig in die umgekehrte Richtung. Florian Schett erklärt sich dies so, dass «die Thermik durch die Abkühlung geschwächt wurde.» Ein Effekt, der möglicherweise auch bei anderen Fahrzeugbränden in Tunneln auftreten könnte und zumindest eines bedeutet: Auch auf der Anströmseite müssen alle Einsatzkräfte über Atemschutz verfügen, um sich gegen derartige Überraschungen zu schützen.
Höhere Brandlast und schnellere Brandausbreitung
Christian Emrich gab zunächst einen Überblick über die Entwicklung von Tiefgaragen aus Sicht des Brandschutzes: Personenwagen der heutigen Generation haben eine drei- bis vierfach höhere Brandleistung als z. B. ein Fahrzeug aus den 1980er Jahren. Sie sind zudem breiter und stehen deshalb in der Garage näher beieinander. Die Folgen sind eine starke Rauchentwicklung insbesondere durch die hohen Kunststoffanteile und eine deutlich schnellere Brandausbreitung. Da immer mehr Parkraum in den Untergrund verlegt wird, werden Feuerwehren häufiger mit Tiefgaragenbränden konfrontiert und diese stellen die Feuerwehren vor besondere Herausforderungen – auf die sie sich aber vorbereiten können.
Bauliche Merkmale sind entscheidend
Unabhängig von ihrer Grösse haben alle Tiefgaragen ähnliche bauliche Merkmale: Sie werden über ein Treppenhaus erschlossen, haben mindestens einen zweiten Fluchtweg sowie Abluftöffnungen für die Abfuhr der Auspuffgase. Grossgaragen mit Flächen von mehr 1’000 Quadratmeter sind zudem – je nach den gesetzlichen Bestimmungen und der konkreten Situation – beispielsweise mit Brandmeldeanlagen, Sprinklern, Rauch- und Wärmeabzugsanlagen und Löschwasserversorgungen ausgestattet. «Folglich sind», sagt Christian Emrich, «grosse Garage nicht zwingend schwieriger als kleine. Die anlagenseitigen Sicherheitseinrichtungen können die Feuerwehren, sofern richtig genutzt, unterstützen und entlasten.»
Taktik wie beim Wohnungsbrand
Für das Vorgehen bei Bränden in Tiefgaragen empfiehlt Christian Emrich, sich an den Prinzipien der taktischen Ventilation für Wohnungsbrände zu orientieren: «Verteiler vor den Hauseingang, Lüfter richtig aufstellen und dann über das Treppenhaus mit dem Überdruck im Rücken in die Wohnung vordringen. Parallel dazu ist die Abluftöffnung zu schaffen. Im Idealfall kann der Angriffstrupp dann aufrecht gehend in die Wohnung vordringen, diese schnell absuchen und den Brand bekämpfen.» Bei Tiefgaragenbränden könne, so Emrich, im Prinzip genau gleich vorgegangen werden.
Angriff über das Treppenhaus
Die wohl wichtigste und für manche Teilnehmer dieses Online-Forums auch überraschende Aussage von Christian Emrich ist folglich: «Tiefgaragenbrände über das Treppenhaus angreifen, nicht über die Rampen.» Dazu wird das Treppenhaus wie beim Wohnungsbrand zunächst unter Überdruck gesetzt, was jedenfalls schnelle Wirkung zeigen wird, da Tiefgaragen immer mit – ständig offenen – Abluftöffnungen ausgestattet sind. Rauch und Hitze können schnell entweichen. Quasi im Schutz des Überdrucks könne der Angriffstrupp zum Löschangriff vordringen, was nicht so schwierig sei, wie es manchmal dargestellt werde. Die Eindringtiefen betragen maximal um die 40 Meter. Das ergebe sich aus der maximalen Fluchtwegelänge, die je nach Bauvorschriften um die 35 m betrage.
Alles ganz einfach?
In der Diskussion wurde deutlich, dass Christian Emrich die Brandbekämpfung in Tiefgaragen keineswegs als «ganz einfach» ansieht. Im Gegenteil: Die Führungs- und Einsatzkräfte müssten schon ihr «Handwerk sicher beherrschen». Dann aber seien Brände auch in sehr grossen Garagen mit vielen Untergeschossen gut zu bewältigen.
Vormerken: 3. Online-Forum am 14. Dezember 2021
Die Frage «Wie können wir uns auf ethisch schwierige Entscheidungen im Einsatz vorbereiten?» ist Ausgangspunkt für die Planung des 3. Online-Forums am Dienstag, 14. Dezember, um 10 Uhr. Bei der Entwicklung dieses Forums liegt die Herausforderung darin, nah am Einsatzgeschehen von Feuerwehren zu arbeiten und gleichzeitig Prinzipien ethischen Entscheidens aufzuzeigen sowie mögliche Konsequenzen daraus abzuleiten. In der Vorbereitung werden aktuell Fragen aus der Ausbildung und Berichte von Feuerwehrführungskräften gesammelt und ausgewertet.
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