Anfang 2019 nahm die Matterhorn Gotthard Bahn zwei neue Lösch- und Rettungszüge in Betrieb, die jeweils aus einer Kombination von Zweiwegefahrzeugen und reinen Schienenfahrzeugen bestehen. Wir besuchten Christian Imsand, den Leiter des Rettungsdienstes Furka-Basistunnel, und Roland Guntern, den Einsatzleiter der Betriebswehr, in Oberwald, um von ihnen mehr über dieses in mancherlei Hinsicht einzigartige Rettungsmittel zu erfahren.
Der Furka-Basistunnel
Der 15,4 km lange Furka-Basistunnel verbindet die Orte Oberwald im Kanton Wallis und Realp im Kanton Uri. Mit seiner Eröffnung wurde es möglich, die Bahnstrecke der heutigen Matterhorn Gotthard Bahn zwischen Disentis und Zermatt ganzjährig zu betreiben. Denn die Furka-Bergstrecke, die durch den Furka-Scheiteltunnel führt, ist im Winter wegen der grossen Schneemassen gesperrt. Beidseitig des Furka-Basistunnels befinden sich Autoverladestationen, dank derer der Tunnel auch Autofahrern zur Verfügung steht. Zudem wird die Strecke vom berühmten Glacier-Express befahren.
Der Lösch- und Rettungszug
Der Rettungsdienst Furka-Basistunnel hat je einen Lösch- und Rettungszug (LRZ) bei den Tunnelportalen in Realp und Oberwald stationiert. Jeder Zug besteht aus drei Einheiten:
– Lösch- und Rettungsfahrzeug
– Sanitätswagen
– Personentransportfahrzeug
Das Lösch- und Rettungsfahrzeug und das Personentransportfahrzeug sind Zweiwegefahrzeuge. Sie können mit eigenem Antrieb sowohl auf Strassen als auch auf Schienen fahren. Der Sanitätswagen hat keinen eigenen Antrieb; er wird von den Zweiwegefahrzeugen gezogen beziehungsweise geschoben. Die nachstehende Grafik zeigt die beim Ausrücken zum Einsatz übliche Anordnung der drei Einheiten.
Die beiden Zweiwegefahrzeuge haben jeweils zwei Führerstände und können deshalb sowohl von der Front als auch vom Heck aus gesteuert werden. Das ist wichtig, weil Schienenfahrzeuge nicht ohne Begleitung rückwärts gefahren werden dürfen. Der Fahrer muss immer direkten Blick auf die Strecke vor sich haben. Deshalb befindet sich auch ein weiterer Führerstand am Heck des Sanitätswagens. Von hier aus kann die Komposition Personentransportfahrzeug-Sanitätswagen gesteuert werden, wenn das Lösch- und Rettungsfahrzeug abgekuppelt ist, um losgelöst von der Gesamtkomposition eingesetzt zu werden.
Das Lösch- und Rettungsfahrzeug
Das Lösch- und Rettungsfahrzeug ist 12,5 m lang und erreicht auf der Schiene eine Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h. Es ist ähnlich einem Hilfeleistungs-Löschfahrzeug ausgestattet, trägt also Atemschutzgeräte, hydraulische Rettungsgeräte, die üblichen Löschgeräte sowie Spezialwerkzeuge für bahntechnische Hilfeleistungen.
Das Lösch- und Rettungsfahrzeug ist mit einem 5'000 Liter fassenden Löschwassertank und Pumpen ausgestattet, mit denen auch Wasser aus der Rigole (Wasserspeicher im Berg) gesaugt werden kann. Netz- und Schaummittel können zugesetzt werden.
Vom Heck her gesehen gliedert sich das Fahrzeug in drei Bereiche: Der Einstiegsbereich mit dem offenen Führerstand, in dem für den Fahrer eine fest installierte Atemschutzmaske zur Verfügung steht. Daran schliesst sich die Schleuse an, von der aus es in den Mannschaftsraum geht. Dieser ist überdruckbelüftet und dient den Einsatzkräften als gesicherter Raum. Hier befinden sich auch die Atemschutzgeräte.
Löscharmaturen und anderes Gerät sind über das gesamte Fahrzeug verteilt. Derzeit arbeitet der Rettungsdienst Furka-Basistunnel noch an der möglichst optimalen Unterbringungen aller Ausrüstungsgenstände, weshalb immer wieder umgebaut werde, wie Christian Imsand erklärt.
Für den engen Tunnel gebaut
Der LRZ wurde optimal an die abschnittsweise sehr enge Röhre des Furka-Basistunnels angepasst. Die Fahrerhäuser sind mit Schiebetüren ausgestattet. Denn übliche Lastwagentüren liessen sich wegen des geringen Abstands zur Tunnelwand nicht ausreichend öffnen.
Weil Schienenfahrzeuge hoch sind, ist das Ein- und Aussteigen mühsam. Deshalb wurde das Lösch- und Rettungsfahrzeug mit einer hydraulisch betriebenen Heckrampe ausgestattet, die aufgefaltet und auf die Schienen herabgelassen werden kann. Sie bietet Einsatzkräften wie auch zu rettenden Personen einen vergleichsweise komfortablen Zugang.
Besonderer Wert wurde auf die Beschaffenheit des Bodengitters der Rampe gelegt. Es ist aus einem speziellen Kunststoff gefertigt, der zusammen mit der Struktur des Gitters auch bei Nässe absolut rutschfest ist und selbst glatten Schuhsohlen festen Halt gibt.
Der Sanitätswagen
Der 13,7 m lange Sanitätswagen hat keinen eigenen Antrieb; er ist im Einsatz in der Regel stets an das Personentransportfahrzeug gekuppelt. Der einfach ausgestattete Aufenthaltsraum ist ein gesicherter Raum und bietet maximal 30 Personen Platz. Er wird umluftunabhängig mit Atemluft versorgt. Diese kommt aus einem speziell gefertigten Flaschenbündel mit einem Druck von 300 bar und einer Gesamtkapazität von 328'000 Litern.
Auf der einen Seite des Sanitätswagens ist eine Rampe ähnlich der am Lösch- und Rettungsfahrzeug angebracht. Neben dieser befindet sich der Führerstand, der mit einer Atemschutzmaske für den Fahrer ausgerüstet ist. Von der Rampe aus gelangen die zu rettenden Personen zunächst in eine Schleuse und von dieser dann in den Personentransportraum. Ein weiterer Vorteil der Rampen ist, dass sie auch für Rollstühle genutzt werden können.
Das Personentransportfahrzeug
Das Personentransportfahrzeug dient primär als Zugfahrzeug für den Sanitätswagen sowie zur Aufnahme von zu rettenden Personen. Es ist ähnlich wie das Lösch- und Rettungsfahrzeug aufgebaut, verfügt aber nicht über eine Rampe am Heck, weil hier in der Regel der Sanitätswagen angekuppelt ist.
Der Aufenthaltsraum ist wie beim Sanitätswagen überdruckbelüftet und wird aus einem Atemluftflaschenbündel versorgt, das zwischen Fahrerhaus und Aufbau installiert ist.
Zweiwegevariante bringt Kostenvorteile
Als Zweiwegefahrzeug kann der LRZ der Matterhorn Gotthard Bahn auch auf der Strasse fahren. Diese Möglichkeit wird aber, erklärt Christian Imsand, nur selten genutzt werden. denn dazu bedarf es einiger Umbauten. So müssen zum Beispiel für den Betrieb auf der Strasse die Puffer abgenommen werden. Für die Zweiwege-Variante entschied sich die Matterhorn Gotthard Bahn primär aus Kostengründen: «Eine normale Lokomotive wäre wesentlich teurer gewesen – und dann hätten wir nur erst die Lokomotive.» Mit der Zweiwegeversion konnten hingegen alle wesentlichen Anforderungen des Rettungsdienstes deutlich kostengünstiger erfüllt werden.
Vom Milizsystem zum Hauptamt
Der Rettungsdienst Furka-Basistunnel hat sich nicht nur technisch neu aufgestellt. Er wurde in den letzten Monaten auch grundlegend neu organisiert. Vom Milzsystem wurde und wird derzeit noch auf hauptamtliche Kräfte umgestellt, «um unsere Hilfsfristen einhalten und sicherstellen zu können und dass stets qualifiziertes Personal für den Ersteinsatz zur Verfügung steht» sagt Christian Imsand.
Über das dafür erforderliche Interventions- und Einsatzkonzept werden wir in einem Folgebeitrag berichten.